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Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland / von Gerhart v. Schulze-Gävernitz
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Bogdan Chmelnitzki, dem Führer des Aufstandes, den Besitzihrer ererbten Ländereien bestätigt.

Die Bereisung der genannten beiden Bezirke bot inter-essante Gelegenheit, die Nachwirkungen von Freiheit undUnfreiheit und die hieraus folgenden wirtschaftlichen undsocialen Verschiedenheiten zu beobachten. Selbstverständ-lich liegt es mir fern, die im folgenden aufgewiesenenVerschiedenheiten ausschliefslich auf diese historischen Unter-schiede zurückzuführen. Klimatische und sonstige natürlicheBedingungen spielen sicher auch ihre Rolle; der Bezirk vonKonstantinograd ist trockener und besitzt nur einen einzigen,den Sommer durchdauernden Flufs, die Berestowaja; derBezirk von Kobeljaki ist dagegen bespült von dem gewaltigenDnjeprstrom, von mehreren Zufliifsen durchschnitten undbesitzt natürliche Wiesen und Waldparzellen. Im Bezirkvon Konstantinograd fehlen von Natur Wiesen und Wald;dasselbe Land dient bald als Getreideland, bald als Weide.Dagegen beweist der prächtige Wald der Grofsfürstin, den ichzu Pferde durchquerte, dafs auch in dieser Steppengegenddurch menschlichen Fleifs und Ausdauer reichlicher Baum-wuchs zu erzielen ist.

Trotz dieser Verschiedenheit der natürlichen Bedingungenaber sind die Nachwirkungen der Vergangenheit nicht zu unter-schätzen. Denn kein Kenner dieser Gegend wird bestreiten,dafs, wie immer der natürliche Untergrund, die kleinrussischeKosakenschaft im allgemeinen kräftiger, energischer undkulturvoller ist, als die früheren Gutshörigen, ihre Nachbarngleicher Abstammung. Diese Thatsache ist um so bedeutungs-voller, als die Hörigkeit in Kleinrufsland der Freiheit derKosaken benachbart überhaupt nie die Strenge erreichte,wie sie in Grofsrufsland allgemein war und dort ihre Spurentiefer in das Volksleben eingegraben hat.

In Konstantinograd besuchte ich den in seiner Art höchstbemerkenswerten Latifundienbetrieb der Grofsfürstin KatharinaMichailowna, nunmehr ihrem Sohne, dem Herzog von Mecklen-burg gehörig; sodann durchfuhr ich zu Wagen einen Teil des