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England und Deutschland / von Prof. Dr. v. Schulze-Gaevernitz
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Colbert an Bevölkerung, Reichtum und Kolonien England wejt überlegen war. Ist Großbritanniens Handels- undKolonialsuprematie von heute, ist der britische und damiterstgebornene moderne Kapitalismus überhaupt denkbarohne Trafalgar?

An diese Erinnerungen wird wieder angeknüpft. Deralte, grundsätzlich friedliche Freihandel trägt greisenhafteZüge. Ein neu aufsteigender Imperialismus ist allent-halben geneigt, politische Machtmittel in die Wagschaleder Wirtschaftskämpfe zu werfen. Dieser Imperialismuskann durch eine Parlamentswahl jeden Tag wieder andas Ruder gebracht werden. Deutschland wird in einigenJahrzehnten nicht nur weit bevölkerter, sondern, wie derOutloolr" wiederholt ausführte, auch wirtschaftlich ebensoreich sein wie Großbritannien . Morgen wird ein unüber-windliches Großdeutschland seine Schatten über Europa hinaus werfen; heute gilt es, Kleindeutschland niederzu-zwingen.

Die Lage wird dadurch verschärft, daß das Deutsch-land von heute der britischen Seemacht breiteste Angriffs-flächen darbietet. Zwar besteht nicht die Gefahr der Aus-hungerung ; denn Deutschland dürfte schwerlich mit England und Rußland zugleich im Kriege sein. Wohl aber rechnetmancher Brite darauf, die deutschen Handelsschiffe und diedeutschen Kolonien ohne weiteres zu kapern. Diese Koloniendurch nichts beachtenswert als durch ihre Ver-teidigungslosigkeit" erscheinen ihm als ein Pfand, daswir in seine Hand legten. Sie sind gegenwärtig nicht mehrso wertlos, wie zu Bismarcks Zeiten. Schwerer noch wiegtder allgemeine wirtschaftliche Rückschlag, den eine Blockadeder deutschen Häfen im Gefolge haben würde. Die zwei-monatliche Choleraquarantäne soll Hamburg allein eineSumme von 250 Millionen Mark gekostet haben. Nachder Zusammenstellung des deutschen Reichsmarineamtessind schon gegen Ausgang der 90 er Jahre gegen 70<>/odes gesamten deutschen Außenhandels über See gegangen.Eine Blockade würde die deutsche Volkswirtschaft bis in die