Verständigung bereits vieles erreicht, wenn man sich beider-seits auf die weitsichtige Wahrnehmung der eigenen Inter-essen zurückzieht, ohne von der anderen Seite mehr zu ver-langen. Vieles, was sonst trennend wirkte, fällt für diesenvielleicht nüchternen, aber sachgemäßen Standpunkt indas Nichts zusammen. Erinnern wir uns: schon im Krim-kriege verlangte Bismarck nicht eine russische, nicht eineenglische, sondern eine lediglich „preußische" Politik. Wäreihm die Notwendigkeit eines Krieges erwiesen worden, sohätte er, wie er sagte, die deutschen Soldaten mit gleicherGenugtuung auf russische, französische oder englischeTruppen feuern sehen; in Friedenszeiten dagegen, undwenn man keinen Krieg beabsichtigt, erschienen ihminternationale Verstimmungen als „mutwillige Selbst-schwächung".
I.
Werfen wir zunächst einen Blick auf Groß-britannien .
Bekanntlich hat England seit Jahrhunderten aus-wärtige Fragen überwiegend nach wirtschaftlichen Gesichts-punkten beurteilt — ein Kaufmann, der dem Kavalierdas „alberne Ruhmgeschäft" überließ: mochte letztererdie britische „Krämerpolitik" verachten, der Brite hat in-zwischen die Welt eingeheimst. Nach fast zweihundert-jährigem Kampfe gegen Frankreich ist England — nichtohne Hilfe deutscher Waffen, die es besoldete — im neun-zehnten Jahrhundert zur Weltherrschaft emporgestiegen.Seit den Napoleonischen Kriegen war England allen Mit-bewerbern auf politischem wie wirtschaftlichem Gebiete un-erreichbar voran. Mit der Seeherrschaft besaß es dasMonopol der Kolonien, an welchen die andern Nationennur so weit Anteil hatten, als es der britischen Vormachtgefiel. In den meisten überseeischen Zonen vertrat derBrite den Europäer überhaupt. Großbritanniens Welt-herrschaft war der längst begrabenen Größe des altenRom vergleichbar.
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