Der König. Die Opposition. Der Kronprinz. 545
streich glaubte er um dieser Frage willen nicht empfehlen zukönnen. Davor scheute aber auch der König selbst zurück undnahm deshalb den schon früher erwogenen Gedanken wieder auf,die Krone niederzulegen. Er war 65 Jahre alt: wer möchte ihmverdenken, daß er solchem Konflikt auszuweichen und die Lösungdem jugendkräftigen Sohne zu überlassen wünschte? Nach mensch-lichem Ermessen würde er ihm ja doch bald den Platz räumen:war es da nicht das Richtige, ihm auch die Entscheidung iu diesergroßen Krisis des Staates zu überlassen, deren Folgen er dochvermutlich am längsten zu tragen haben würde?
Verweilen wir einen Augenblick bei dem Gedanken, daß derKönig seinen Plan ausgeführt und die Krone in die Hände seinesSohnes gelegt hätte. Unzweifelhaft hätte man eine Entlassungdes Ministeriums Roon und die Versöhnung der Liberalen zuerwarten gehabt. Zwar waren die Beziehungen des Kronprinzenzu den Häuptern des Liberalismus, namentlich zu Forckenbeck,noch nicht so eng wie 1863, aber sie bestanden doch und warenbekannt. Max Duncker bildete die natürliche Vermittlung, unddazu kamen noch andere Verbindungen. Sehr vertraulich konnteder Abgeordnete Müllensiefen damals, am 26. September 1362, anihn schreiben, und dieser Brief ist ein Zeugnis für einen wesent-lichen Charakterzug dieser Opposition, den man leicht übersieht,wenn man sie nur aus den politischen Reden und Schriften oderaus Roons Briefen und Bernhardis Aufzeichnungen schildert.Müllensiefen war ein älterer Mann, ein Industrieller, der einarbeitreiches Leben hinter sich hatte, ein Mann ohne Ehrgeiz undohne persönliche Interessen. Er beschwor den Kronprinzen, dasVerderben abzuwehren, das Preußen drohe, und den König zuschützen, daß nicht sein heiliges Haupt mit Kummer in die Grnbesahre. Das werde aber unabwendbar geschehen, wenn dieser unheil-volle Weg der Gewalt nicht verlassen werde. Denn die Majoritätkönne nicht von ihrem Standpunkt weichen, sie sei gebunden durchden Eid auf die Versassung, und
lieber den Tod auf seinen? Sitz in der Kammer als den Fluch des Mein-eides auf der Seele . .. Geruhen Ew. Kgl. Hoheit, solchen Standpunkt zuerwägen, solche in tiefer religiöser Überzeugung wurzelnden Motive zuKaufmann, pollt. Geschichte. 38