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Regentschaft und Anfänge König Wilhelms I,

prüfen, dann werden Sie das Drückende der Stellung eines ehrlichen Ab-geordneten mitzufühlen vermögen, der auf der einen Seite die Bahn sieht,die niederwärts führt mit ihrem traurigen Gefolge der Zerrüttung durchalle Zweige des Volkslebens hindurch, und auf der anderen all die Erfolge,welche Gesetz und Recht zur Seite haben, dem er nun den Rücken zuwenden verurteilt wird , .. >M sei eine Verleumdung, daß ein revolutionärerGeist die Abgeordneten erfülle.) Mein Haupt zum Pfande, daß ich dieWahrheit fagte! Ew. Kgl. Hoheit ist es anheimgegeben, von diesen Zeilengeeigneten Gebrauch zu machen. Möchten sie alsdann aufgenommen werdenwie eine Appellation von dem schlechtberatenen Könige an den besser be-ratenen König, und keiner vierzehn Tage würde es bedürfen, und das Volkwürde wie erlöst vom schweren Banne und in dem Gefühl, sich wieder einigmit seinem Könige zu wissen, der kurzen herben Täuschung jüngstvergangenerZeit gar bald vergessen haben.

Müllenfiefen war kein Politiker von größerem Zuschnitt, seinBrief hat manchen philisterhaften Zug, aber unzweifelhaft sprachhier ein ganz aufrichtiger und fester, ein durchaus religiös gestimmterund monarchisch gesinnter Mann, und das war's, was dieser Oppo-sition trotz vielfacher Schwächen solche Kraft gab. Und die Männerdieser Richtung durften den Kronprinzen als einen Gesinnungs-genossen ansehen.

Aber trotz alledem läßt sich nicht sagen, ob der Kronprinzdamals die Forderungen der Liberalen hätte erfüllen und eineliberale Majorität im Hause Hütte gewinnen mögen, ähnlich wiesie seinem Vater 185861 zu Gebote gestanden hatte. Die Oppo-sition hatte schon zu viel radikale Elemente aufgenommen undwar auch nicht einheitlich genug, um regierungsfähig zu sein. DerDruck des reaktionären Ministeriums, der gemeinsame Gegensatzhielt sie zusammen; unter einem Ministerium Schweriu oder einemähnlichen wäre sie in Gruppen anseinandergefallen, die sich baldheftig bekämpft hätten. Anzeichen und Anfänge solchen Kampfestraten schon trotz jenes einigenden Bandes hervor. Nur einekühne deutsche Politik war imstande, die Quellen des Zwistes zuverstopfen. Ob dazn der Kronprinz entschlossen und fähig war,das ist doch zweifelhaft. Nun es ist nicht so gekommen, derKönig erhielt unerwartete Hilfe, indem er Bismarck in das Mini-sterinin berief.