Die Stimmung vor dem Kriege.
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Die öffentliche Meinung war im Süden entschieden gegenPrenßen und geriet dabei stark unter ultramontanen Einfluß. Auchin Nord- und Mitteldeutschland regten sich Sympathien für Öster-reich , und nicht bloß an den Höfen und bei den Partikularisten.Der Verfassungskampf in Preußen , sowie die meist nur in ihrenkleinlichen Zügen verstandene und auf kleinliche Motive zurück-geführte Politik Bismarcks in der schleswig-holsteinschen Fragehatten Prenßen die Gemüter zu sehr entfremdet. Der Rückmarsch derÖsterreicher aus Holstein gestaltete sich vielfach zu einem Trinmph-zuge. Man feierte in ihnen die Sieger über Dänemark und suchtesie für die Kränkung zu entschädigen, die sie von Preußen erlittenzu haben schienen, und diese Motive unterstützten denn die groß-deutsche Stimmung, die um so weiter verbreitet war, weil sie ihreWurzeln mehr im Gemüt als in klaren Erwägungen hatte.
Diese Gefühle und Stimmungen wurden von der partikularisti-schen Partei in den Mittelstaaten der preußischen Machtzone, dienaturgemäß auch antipreußisch war, mit Erfolg benutzt, und so konnteder Schein entstehen, als sei die Macht dieser Partei größer, als siethatsächlich war. Aber es regten sich daneben doch zugleich Wünscheund Hoffnungen, die an das Frankfurter Parlament und an dieReichsverfassuug anknüpften, und in der Württembergischen Kanunerwurde die Forderung eines deutschen Parlaments gestellt. In Bayern wurden am 21. Mai, in Hannover am 29. Mai ähnliche Beschlüssegefaßt, und am 11. Jnni einigten sich in Sachsen beide Kammernüber den noch bestimmter formulierten Antrag: „die Regierungmöge energisch dafür wirken, daß die Einberufung des deutschen Parlaments, keiner Delegiertenversammluug, vielmehr einer Ver-sammlung auf Grund direkter Wahlen, in ganz Deutschland undlängstens im künftigen Monat erfolge".
In Darmstadt erklärte sogar die Regierung durch den leitendenMinister v. Dalwigk am 10. Juni, sie strebe danach, daß „dieEinigung des deutschen Volkes in einem freigewählten Parlamentals Ziel des drohenden Kampfes erstrebt und errungen werde —in einem Parlament, das, mit der Fülle konstitutioneller Befugnisseausgestattet, die über die Einzelregierungen zu stellende Central-gewalt zu unterstützen nnd mit dieser den Gesamtwillen Deutsch -