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Kaiser und Reich.

Bund die Klarheit und Ruhe vermissen lassen, die doch alle Zeitdie wichtigsten Gaben eines Herrschers sind.

Indes geziemt es sich kaum, ein zusammenfassendes Urteil zufällen, namentlich nicht auf Grund der Äußerungen in seinemTagebuch, das in sehr unglücklicher Weise gleich nach seinem Todeveröffentlicht wurde. Denn ein anderes ist es, in unverantwort-licher Stellung schreiben, uud eiu anderes ist es, die Regierungführen, und es war ihm nicht beschieden, die Geschäfte im vollenUmfange in die Hand zu uehmen. Die neunundneunzig Tagehindurch, in denen er die Krone trug, hatte er unter unsäglichenLeiden mit dem Tode zu ringen. Bismarck leitete unter ihmdie Geschäfte wie bisher, und nur einzelne Akte, namentlich dieEntlassung des Ministers Puttkamer, mögen als selbständige, inder Hinneigung zu den Liberalen begründete Handlungen desKönigs Friedrich aufgefaßt werden. Am 15. Juni 1888 erlösteihn der Tod, und es folgte ihm fein Sohn, der gegenwärtigregierende König und Kaiser Wilhelm II.

In der ersten Zeit ließ er ebenfalls den Fürsten Bismarck an der Spitze der Geschäfte und widmete ihm eine tiefempfundeneVerehrung. Bald aber zeigte sich, daß ein junger Fürst solch über-mächtige Stellung eines Ministers auf die Dauer nicht wohl er-tragen kann. Die Gegensätze spitzten sich unter ungünstigen Ver-hältnissen zu, es erfolgte ein förmlicher Brnch, und Bismarck wurde gezwungen, feine Stellung zu verlassen. Die Ehren, mitdeneu der Kaiser den Fürsten überhäufte, verhinderten nicht, daßder Zwiespalt in aller Schärfe bekannt wurde, uud da Bismarck in seinem Schlosse Friedrichsruh bei Hamburg seinen litterarischenGeneralstab neu organisierte und in der Presse einen kritischenFcldzug gegen die Personen und Maßregeln des neuen Regimentsbegann, so wurde der Riß unheilbar erweitert. Später gelanges, einen gewissen Friedenszustand herbeizuführen, aber es warnnr ein äußerlicher Friede, und Bismarck kehrte in seine Stellungnicht mehr zurück obwohl die nachdrückliche Art seines Kampfestäglich den Beweis lieferte, daß ihm die Kraft dazu nicht fehlte.

Da er nun die Verantwortung für die Regierung uicht mehrtrug, lernte das deutsche Volk schnell die historische Bedeutung