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Kaiser und Reich.
stalten und Korporationen zu Hilfe kommt, schlingen auch Kettennm sie, die darum nicht weniger binden, weil sie golden sind. Auchbeginnen parlamentarische Parteien und Parteiführer auf die Per-sonenfragen und andere Einzelfragen der Verwaltung einen Einflußzu gewinnen, der, wie das Beispiel anderer Staaten zeigt, auf dieDauer uur zerstörend wirken kann. Wertvolle Einrichtungen nndTraditionen der alten Staatsordnung sind durch alles dies bedroht.
Andere Einflüsse der neuen Verfassung machen sich mehr nurmittelbar geltend, aber nicht weniger bedeutsam. Die Wandlung, diesich an dem für unsere innere Verwaltung besonders wichtigen Amtdes Landrats vollzogen hat, liegt vor aller Augen und wird schonseit einem Decennium lebhast erörtert, aber ähnliche Wandlungenvollziehen sich iu anderen Kreisen oder bereiten sich vor. Von ganzbesonderer Wichtigkeit erscheint da die Frage, wie das Verhältnisder evangelischen Kirche zum Staat künftig geregelt werden foll.Der Protestantismus hatte den Geist des preußischen Staates be-stimmt, und evangelische Interessen beeinflußten die Richtung seinerPolitik. Indem er das Haupt des deutschen Reiches wurde, hatder preußische Staat dieseu Protestantischeu Charakter abgelegt.Damit ist aber auch die schon längst mit schweren Mißständen be-haftete Abhängigkeit der evangelischen Kirche von der landesherrlichenGewalt unhaltbar geworden, und bei der Größe und Zahl derPersonen, Körperschaften und Interessen, die davon berührt werden,entspringen aus diesem Verhältnis Klagen, Beunruhigungen, Streitig-keiten der verschiedensten Art.
Mag man sich dieser Schwierigkeiten nnd Schmerzen desÜbergangszustandes bewußt sein oder nicht: immer geht von ihnenein Gefühl des Mißbehagens und des Zweifels aus, das lähmendwirkt. Um so schwerer wird unser Bürgertum von Erscheinungenbedrückt, wie die, daß sich die Programme der Parteien, die denzahlreichsten Anhang im Volke haben, die Programme der Social-demokraten und der Ultraiuontancn, und kanm weniger die An-sprüche der Kreise, die in dem „Deutschen Adelsblatt" ihre Ver-tretung finden, gegeu wesentliche Grundlagen unserer Verfassungnnd unserer gesellschaftlichen Ordnung richten. Aber das Lebenerzeugt nnd erträgt manchen schreienden Widerspruch, und nnter