Am Ende des Jahrhunderts.

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den Tausenden, die sich voll Eifers zu diesen oder ähnlichen Par-teien uud Programmen halten, sind auch Tausende, die trotz alle-dem gnte Bürger sind und in jeder Gefahr die Probe bestehenwerden. Mehr als das, es sind diese Tausende unzweifelhaft inmancher Beziehung auch die Träger einer fortschreitenden Ent-wickelung unseres Volkes. Wir Menschen wissen ja nie, was wirthun und welchen Zwecken wir schließlich dienen.

Die Gedanken uud Empfindungen des Volkes müssen in derTiefe aufgewühlt werden, um die Quellen zn erschließen, aus deuender Strom des Lebens der kommenden Geschlechter sich bilden mag.Gerade die Tiefe uud Schärfe der gesellschaftlichen, der geistigen,der kirchlichen und der politischen Gegensätze geben Zeuguis, daßunser Volksleben im Saft steht, und widerlegen am besten dasGerede, als trage unsere Zeit den Charakter des faulenden Ver-falls oder, wie man gern sagt, der Dekadence. Persönlichkeiten,die mit ihrer Müdigkeit und ihrem überlebten Wesen kokettieren,hat es alle Zeit gegeben, und mit ihren witzelnden Worten gewinnensie leicht übergroßen Einfluß auf das Urteil der Menschen. Soauch heute; aber unsere Zeit bleibt trotz mancher Erscheinungen inKunst und Leben die Zeit der allgemeinen Wehrpflicht, der kühnstenund freiesten Gedanken uud der gewaltigsten Leistungen sowohl aufdem Gebiete der wirtschaftliche» und der wissenschaftlichen Arbeitwie ans dein Gebiete hingebender Fürsorge für die wirtschaftlichSchwachen, für die Armen und Kranken und die Opfer des Schlacht-feldes. Kein Zeitalter hat etwas Ahnliches gesehen.

Wir stehen in großen Kämpfen, und manchmal möchte esscheinen, als sollte dem Moloch des Aberglaubens und dein Baalder revolutionären Phrase die Blüte und der Stolz unseres Volkesgeopfert werden; aber wer zurückschaut auf das, was wir in diesemJahrhundert an Gefahren ähnlicher Art überwuudeu oder über-dauert haben, der wird nicht zweifeln, daß wir die Kraft haben,anch diese zu überstehen. Das laute Geschrei und die überdreisteuForderungen der Parteien sind nichts als das Toben der Welleneiner von starkem Leben bewegten Zeit. Wir Deutsche sind nochein junges Volk, und unsere Aufgabe für die Welt ist noch längstnicht erfüllt.