ein Mensch vom Scheitel bis zu den Fersen ist ein rechterSack voll Dreck."
Würden wir aus dieser Erkenntnis heraus die Konse-quenzen ziehen, so müßte der Mensch sich des Essenswegen schämen, denn dadurch macht er sich bzw. sei-nen Magen zur Ablade-, zur Friedhofstätte für orga-nische und anorganische Substanzen und schafft da-durch erst die Vorbedingung für die Entleerung, letzterebildet also das Korrektiv für eine ästhetisch nicht ein-wandfreie Handlung. Und tatsächlich finden wir dieseAuffassung auch bisweilen vertreten. Montaigne be-richtet 2 : „Ich kenne eine Dame, und zwar eine der Vor-nehmsten, welche der Meinung ist, das Käuen macheeinen unangenehmen Übelstand, der ihrer Anmut undihrer Schönheit viel benehme, und sich auch nicht gernöffentlich sehen läßt, wenn sie Eßlust hat. Auch kenneich einen Mann, der es nicht ausstehen kann, andereessen zu sehen, noch sich selbst beim Essen sehen zulassen, und wenn er sich anfüllt, alle Zuschauer sorg-fältiger vermeidet, als wenn er sich ausleert"Montaigne bucht diese Tatsache als Merkwürdigkeit,aber sie bezeugt nur, daß der Betreffende ein Mann vonGeschmack ist, wenn er den Geschmack perhorresziert,und die Leitsätze, die neuerdings „Der Zwiebelfisch" 3aufstellt, wird jeder feinfühlige Mensch vollinhaltlichunterschreiben: „Das Essen und Trinken zum Zweckeder Sättigung sollte man entschieden ebenso wie die son-stigen animalischen und Verdauungsfunktionen hinterverschlossenen Türen verbannen. Gemeinsames Tafelnerscheint mir wenigstens nur dann ästhetisch gerecht-
2 Michael Montaignes Gedanken und Meinungen über allerley Ge-genstände. Ins Deutsche übersetzt. Berlin, bey F. T. Lagarde 179/1-Fünfter Band, S. a/ji.
3 4. Jahrgang, S. 198.
II