achdem Jahrhunderte hindurch das geistige Eigentum ge-
i 1 wissenlosenFreibeutern ausgeliefert war, die es zu ihremNutzund Frommen ausschlachteten, ohne daß der Leserkreis daranbesondern Anstoß nahm, ist in letzter Zeit, da ausgedehntereschriftstellerische Betätigung jeden Zweiten sich als Schrift-steller gebärden läßt, eine übergroße Empfindlichkeit an Stelleder ehemaligen Laxheit getreten, und übereifrige Plagiatschnüff-ler, deren eigene Unproduktivität in vielfach sehr bedauerlicherVerfolgungswut gegen angeblich literarische Übeltäter ihrenAusgleich findet, taten sich seit langem etwas darauf zugute,wenn es ihnen gelungen war, einen Schriftsteller, der sich zueng an irgend ein Vorbild angelehnt hatte, des Plagiats zu be-schuldigen — und zuweilen auch zu überführen. Diese Neigungpersiflierte vor kurzem der „Zwiebelfisch" 1 ) in sehr launigerWeise durch folgende Anekdote: „Ein junger Mann, George-Jünger, der einige Gedichte gemacht hatte, kam zu Dr. Karl Wolfskehl , um sie ihm vorzulesen. Gern ließ es Wolfskehl nichtgeschehen. Skeptisch, voreingenommen, mürrisch, hörte er aberimmerhin dem Anfang zu: ,Eros entsprang ...!' ,Oho!' fiel Wolfs kehl ein, ,scho e Plagiat! Altes Kirchenlied! Es is e Ros ent-sprunge!' Wolfskehl ist nämlich Darmstädter . . ."
Allein die Gegenwart kehrt mit dieser Plagiatriecherei ledig-lich zu den gern geübten Methoden der Antike zurück. Daskritische Belauern der literarischen Produktion eines Schrift-stellers, das hämische Hinausposaunen aufgefundener Ent-lehnungen, die rücksichtslose Anrempelung der Leuchten vonWissenschaft und Kunst, wenn irgendeine Übereinstimmungihrer Werke mit dem eines Vorgängers sich festnageln läßt, istja durchaus kein typisches Kennzeichen unserer Zeit, sondernwurde bereits bei den Griechen methodisch geübt. Von denAlten entgingen selbst so hervorragende Geister wie A e s c h i-
*) 20. Jhrg., 1927, S. 190.
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