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Meister des Plagiats oder die Kunst der Abschriftstellerei / Paul Englisch
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achdem Jahrhunderte hindurch das geistige Eigentum ge-

i 1 wissenlosenFreibeutern ausgeliefert war, die es zu ihremNutz und Frommen ausschlachteten, ohne daß der Leserkreis daran besondern Anstoß nahm, ist in letzter Zeit, da ausgedehntere schriftstellerische Betätigung jeden Zweiten sich als Schrift­steller gebärden läßt, eine übergroße Empfindlichkeit an Stelle der ehemaligen Laxheit getreten, und übereifrige Plagiatschnüff­ler, deren eigene Unproduktivität in vielfach sehr bedauerlicher Verfolgungswut gegen angeblich literarische Übeltäter ihren Ausgleich findet, taten sich seit langem etwas darauf zugute, wenn es ihnen gelungen war, einen Schriftsteller, der sich zu eng an irgend ein Vorbild angelehnt hatte, des Plagiats zu be­schuldigen und zuweilen auch zu überführen. Diese Neigung persiflierte vor kurzem derZwiebelfisch" 1 ) in sehr launiger Weise durch folgende Anekdote:Ein junger Mann, George- Jünger, der einige Gedichte gemacht hatte, kam zu Dr. KarlWolfskehl , um sie ihm vorzulesen. Gern ließ es Wolfskehl nicht geschehen. Skeptisch, voreingenommen, mürrisch, hörte er aber immerhin dem Anfang zu: ,Eros entsprang ...!' ,Oho!' fiel Wolfs­kehl ein, ,scho e Plagiat! Altes Kirchenlied! Es is e Ros ent- sprunge!' Wolfskehl ist nämlich Darmstädter . . ."

Allein die Gegenwart kehrt mit dieser Plagiatriecherei ledig­lich zu den gern geübten Methoden der Antike zurück. Das kritische Belauern der literarischen Produktion eines Schrift­stellers, das hämische Hinausposaunen aufgefundener Ent­lehnungen, die rücksichtslose Anrempelung der Leuchten von Wissenschaft und Kunst, wenn irgendeine Übereinstimmung ihrer Werke mit dem eines Vorgängers sich festnageln läßt, ist ja durchaus kein typisches Kennzeichen unserer Zeit, sondern wurde bereits bei den Griechen methodisch geübt. Von den Alten entgingen selbst so hervorragende Geister wie A e s c h i-

*) 20. Jhrg., 1927, S. 190.

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