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Geschichte der Buchdruckerkunst in ihrer Entstehung und Ausbildung : Ein Denkmal zur vierten Säcular-Feier der Erfindung der Typographie ; Mit einer reichen Sammlung in Holz und Metall geschnittener Facsimiles der seltensten Holztafeldrucke, Nachbildungen von Typen alter berühmter Officinen und Proben von Kunstdrucken nach den neuesten Erfindungen unserer Zeit / von Dr. Karl Falkenstein, Königl. Sächs. Hofrathe und Oberbibliothekar, ...
Entstehung
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78 Ansprüche der

dieselben schon bei Lebzeiten in ihren eigenen Ge-wissensbissen die gehörige Strafe gefunden haben.

Als dieser, welcher zn dem Drnckcrgeschäfteangenommen und beeidigt war, die Kunst, Buch-staben zn gießen und zusammenzusetzen, nnd wassonst uoch zur Sache gehört, vollkommen begriffenhatte, nahm er in der Ehristnacht, in welcher dieGeburt des Heilandes gefeiert wird, und alle Weltdem Gottesdienste beizuwohnen pflegt, die passendeGelegenheit, drang in alle Behälter der Buchstabenein, packte die Gerathe und Werkzeuge seinesHerr», welche zu dieser Kunst dienten, zusammenund eilte dann mit dem Raube aus dem Hause.

Zuerst ging er nach Amsterdam , dann nachColn und endlich nach Mainz , wo er als in einemAsyle ruhig und sicher leben und, nachdem er seineWerkstatte eröffnet hatte, die Früchte seines Dicb-stahlcS eiuerntcu konnte. Denn es ist gewiß, daßbinnen Jahresfrist schon 1442 dasvovtrin-üe"des Alexander GallnS, eine Grammatik, welchedamals allgemein gcbrancht wurde, mit denselbenBucl'stabeu gedruckt, deren sich Lorenz zu Hartembedient hatte, sammt den Abhandlungen deS PetruöHiSpannö als erste Frucht aus dieser Werkstattehervorgegangen ist.

Dies Alles ist mir von sehr alten und glaub-würdigen Greisen, welche das Ueberlieferte vonHand zu Hand gleich einer brennenden Fackel em-pfangen hatten, mitgetheilt worden; auch habe ichuoch Andere gefunden, welche das Nämliche be-richteten und bezeugten. Ich erinnere mich, daßRicolans GaliuS, der Lehrer meines Knabenalters,ein Mann von eisernem Gedächtniß nnd ehrwürdigdurch seine seit lange weißen Haare mir erzählte,daß er als Knabe mehr als einmal mit angehörthabe, wie ein gewisser Cornelius, ein GreiS von80 Jahren, der in derselben Werkstatte als Gehülfegedient hatte, den Hergang der Erfindung, wie erihn von seinem Herrn gehört hatte, die allmäligeAusbildung und Zunahme der rohen Kunst undandere Dinge der Art mit so großer Gemüthsbe-wegung erzählte, daß derselbe der Unwürdigreit desVorfalls wegen jedesmal »»willkürlich in ThränenauSbrach, so oft von dem Diebstahle die Rede war,und daß der Greis alsdanu über den Verlust des

Stadt Hartem.

Ruhmes durch jenen Raub gewöhnlich in einensolchen Zorn gerieth, daß es schien, als würde erdaS Amt des Henkers gegen den Dieb übernommenhaben, wenn derselbe noch am Leben gewesen Ware;ja daß er gewöhnlich immer die schrecklichsten Ver-wünschungen gegen ihn ausstieß, und jene Nächteverfluchte, die er einige Monate lang mit demBösewichte i» einem und demselben Bette zuge-bracht hatte.

Alles dieses stimmt mit den Worten deS Bür-germeisters QnirinuS Talestus überein, welchermich versichert hat, daß er beinahe dasselbe ausdem Munde des Buchbinders vernommen habe.Dies niederzuschreiben hat mich der Eifer für dieWahrheit angetrieben. Unsere Stadt wird denNnhm der schönsten Erfindung wieder erlangen,und diejenigen werden ihre Anmaßung fallen lassen,welche sich nicht geschämt haben, fremden Rnhm zuusurpiren. Allein ich fürchte, tauben Ohren zupredigen! Wie dem auch sein mag, ich werde michimmer freuen, das Andenken des Erfinders undden Ruhm unserer Stadt nach Kräften gewahrt zuhabe»."

Soweit Hadrian de Joughe oder Junius inseinerBatavia."

Die hier zum Grnndc liegende schon vor Ju-nius in Harlem einheimische Sage ist weder Er-dichtung noch Lüge, wie die neuesten Vertheidigervon Gntcnbcrg und Mainz , Schaab und Wetter,mit edler, aber doch wol ein wenig zu weit getrie-bener Vaterlandsliebe darzuthnn sich bemühen,sondern auch sie hat, wie jede Ortssage im Mundedes Volkes, etwas Wahres und cS kommt nurdarauf an, dieses von späterer Ueberklcidung undAusschmückung zu unterscheiden.

Alterdings ist es ausfallend, daß keiner derholländischen Schriftsteller deö fünfzehnten Jahr-hunderts, die bereits über die Literatur ihresVaterlandes ein so großes Licht verbreiten, undkeiner der alteren GeschichtSschrcibcr der Nieder-lande auch nur ei» Wort von der Harlemcr Er-findung erwähnen. Selbst noch im sechszehntc»Jabrhunderte herrschte über diesen Punkt fast all-gemeines Schweigen. Karl van Mander , derwenige Jahre nach Jnnius, im Jahre 1533 zu