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Erfindung der Schriftgießerei.
einen derselben mit Blei zn übergießen oder inflüssiges Blei einzudrücken, und somit war die Artund Weise gefunden, Formen zu allen Buchstabendes Alphabets zu gießen, aus welchen man wie-derum mit Leichtigkeit bleierne oder zinnerne, zujedem Drucke genügende Lettern zu gießen imStande war. Aber selbst, als nun der Gedankedes „Gießens" entstanden war, welcher Versuchebedürfte es da erst, um für das Material derBaterformen (Patrizen), der Mntterformen (Ma-trizen) und der daraus zu gewinnenden Lettern,für die Einrichtung der Gießform und so vieleranderer Apparate das Zweckmäßigste zu finden!Der Forinenschncider mußte nnn beim Goldschmiedund Metallgießer in die Lehre gehen; doch bei allenBortheilen, die diese Gewerbe darboten, warennoch immer nicht geringe Schwierigkeiten zn über-winden.
Das älteste Zeugniß über diesen Schritt derVervollkommnung hat uuS der ehrwürdige Trit-heim, Abt zu Spanheim und spater Abt deS Schot-tenklosterS zn St. Zakob in Würzburg , im zweitenTheile seiner „Annalen des Klosters Hirschau" beidem Jahre 1450 mitgetheilt, wo es heifit: „Zndieser Zeit wurde in Mainz, einer Stadt Deutsch-lands am Rheiue und nicht in Italien , wie Einigesalschlich berichten, jene wunderbare und früherunerhörte Kunst, Bücher mittelst Buchstaben zu-sammenzusetzen und zu drucken, durch JohannGutenberg, einen Mainzer Bürger, erfunden undauSgedacht, welcher, als er beinahe sein ganzesVermögen für die Erfindung dieser Knust aufge-wendet hatte, nnd mir allzu großen Schwierigkeitenkampfend bald in diesem, bald in jenem mit seinenMitteln zu kurz stand uud schon nahe daran war,das ganze Unternehmen, an dem Erfolge verzwei-felnd, aufzugeben, endlich mit dem Rathe und denVorschüssen des Johann Fnst, ebenfalls Bürgersvon Mainz , die angefangene Sache vollbrachte.Demnach druckten sie zuerst das mit dem Namen„ Otlwlico»" bezeichnete Wörterbuch, nachdem siedie Züge der Buchstaben nach der Ordnung aufhölzerne Tafeln gezeichnet und die Formen zusam-mengesetzt hatten; allein mit denselben Formenkonnten sie nichts anderes drucken, eben weil die
Buchstaben nicht von den Tafeln ablösbar und be-weglich, sondern eingeschnitzt waren. Nach diesenErfindungen folgten künstlichere; sie erfanden dieArt nnd Weise, die Formen aller Buchstaben deslateinischen Alphabets zu gießen, welche Formen sieMatrizen nannten, uud aus welchen sie hinwie-derum eherne oder zinnerne, zu jeglichem Druckegeeignete Buchstaben gössen, welche sie srüher mitden Händen schnitzten. Und in der That, wie ichvor beinahe 30 Jahren aus dem Munde des PeterSchöffer von GernShcim, eines Mainzer Bürgersund Schwiegersohnes des ersten Erfinders der Kunst,gehört habe, hatte die Bnchdruckertunst vom An-fange ihrer Entstehung an große Schwierigkeitenzu bekämpfen. Denn als sie beschäftigt waren, dieBibel zn drucken, hatten sie schon mehr als 4000Gulden ausgegeben, ehe sie noch das dritte Qua-ternion zu Stande gebracht. Der erwähnte PeterSchöffer aber, damals Gchülse, nachher Tochtcr-mann deS ersten Erfinders Fanst, ein kluger undsinnreicher Kopf, dachte eine leichtere Art aus, dieBuchstaben zu gießen, und vervollständigte dieKnnst, wie sie jetzt ist. Und diese drei hielten ihreArt nnd Weise, zu drucken, einige Zeit geheim,bis dieselbe dnrch Gehülfen, ohne deren Mitwir-kung sie die Kuust selbst nicht ausüben konnten,zuerst bei den Strasibnrgern nnd endlich bei allenNationen verbreitet wurde. Das Gesagte mag überdie wunderbare Buchdrnckerkunst genügen, derenerste Erfinder Mainzer Bürger waren. Die dreiersten Erfinder wohnten aber zu Mainz im Hause„zum Jungen", welches hierauf und noch bis jetztdas „DrnckhanS" genannt wird."
Soweit Tritheim's Worte, der seine Annalenmit dem Jahre 1514 schloß, und deren Original-handschrist erst gegen das Ende des siebcnzehntcnJahrhunderts aus dem Staube einer Klosterbiblio-! thek hervorgezogen und 1690 zu St. Gallen gedrucktworden ist.
Der als die GcburtSstätte der vorzüglichstenaller Künste für jeden Gebildeten so interessante„Hof zum Jungen" in Mainz , welcher die Eckeder Emmcrans- uud Franziskanergasse bildete undjetzt in sechs kleine Häuser (v. 117-122) getheiltist, gehörte einst der vornehmen Patrizierfamilie