Teil eines Werkes 
1 (1900) Begriff : psychologische und sittliche Grundlage ; Literatur und Methode ; Land, Leute und Technik ; die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft
Entstehung
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10 Einleitung. Begriff. Psychologische und sittliche Grundlage. Litteratur und Methode.

bleibt, ahmt er bewußt oder unbewußt täglich und stündlich Unzähliges nach. Wieder Hypnotiseur sein Medium, so zwingen überall die sührenden Menschen die Massein ihren Bannkreis, und tauschen alle sich Berührenden ihre Gesühle und Gepflogenheitenunwillkürlich aus. So konnte Tarde sagen: eine Gesellschaft ist eine Gruppe von Wesen,die sich untereinander nachahmen, oder die ähnliche Nachkommen solcher Wesen sind, diesich früher nachgeahmt haben.

Die ununterbrochene und unwiderstehliche, pfychische Wechselwirkung und Suggestionaller sich Berührenden stellt den verbindenden Strom dar, der gemeinsame Gesühle,Verständigung, Jneinanderpassung, sowie Abschließung gegen außen herbeiführt. Aberdieser Strom wäre ewig schwach geblieben, wenn er nicht durch die Sprache, die Schrift,die Vervielfältigung derselben, sowie durch die Methoden ihrer Verbreitung und Benutzungeine Kraft erhalten hätte, welche sich zu der wortlosen Verständigung und Wechselwirkungverhält, wie die heutigen starken elektrischen Jnduktionsströme zu den schwachen galva-nischen Strömen.

2« Die psychophysischen Mittel menschlicher Verständigung: Sprache und Schrift.

Herder, Über den Ursprung der Sprache.' 1772. Jakob Grimm , Über den Ursprungder Sprache, Kleine Schriften 1, 1864. Lazarus, Geist und Sprache, Leben der Seele. 2, 1857.Steiuthal, Der Ursprung der Sprache im Zusammenhang mit den lektcn Fragen alles Wissens. 1877.

Steinthal , Die Entwickelung der Schrift. 1852. Wuttkc, Geschichte der Schrift unddes Schrifttums. 1872. Faulmann , Illustrierte Geschichte der Schrift. 1880. Kirchhofs,Die Handschriftenhändler des Mittelalters. 1853. Wattenbach, Das Schriftwesen des Mittel-alters. 1871. Treutlin, Geschichte unserer Zahlzeichen. 1875.

Falkcnstein, Geschichte der Buchdruckerei. 1840. Kirchhofs, Beitrage zur Geschichte desdeutschen Buchhandels. 1851 53. Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels. Buchner,Beiträge zur Geschichte des deutschen Buchhandels. 1874. Jul. Duboc , Geschichte der englischenPresse. 1873. Wuttke, Die deutschen Zeitschriften und die Entstehung der öffentlichen Meinung. 1875.

Karl v. Raumer, Geschichte der Pädagogik seit dem Wiederausblühcn klass. Studien bis aufunsere Zeit. 5. Aufl. 1877 ff. KarlSchmidt. Geschichte der Pädagogik. 3. Aufl. 187376.Sander, Lexikon der Pädagogik. 1883.

Dilvarcls, Alemoirs ot' lidrariss. 1859. 2. Bde. Ders., 1/ibrg.riss kncl tonnäki's oklibraries. 1865.

5. Die Sprache. Die Sprachbildung ist Gesellschaftsbildung, die Sprachlautesind Verständigungslaute. Man hat beobachtet, daß gewisse Tiere bis zu 10, 12, ja20 verschiedene Töne haben, deren jeder den Genossen eine andere Stimmung andeutet.Der gemeine Mann soll selbst mitten in der heutigen, aufgeklärten Gesellschast nicht über300 Worte gebrauchen, während der Gebildete es bis zu 100 000 und mehr bringt.In diesen Zahlen drückt sich wenigstens einigermaßen die steigende Fähigkeit zur Ver-gesellschaftung aus.

Die Entstehung der Sprache ist eine Seite an dem Vernünftigwerden des Menschen.Die Anschauungen und Vorstellungen werden erst in wenigen, dann in mehreren Lautenund Worten vergegenständlicht. Der Mensch will sich dem Menschen verständlich machen;wie wir schon sahen, wirken Gebärden, Gefühle und Leidenschaften ansteckend; wasden einen erfüllt, klingt fympathifch beim anderen an. Das Fühlen, Vorstellen undDenken kommt durch das Zusammensein mit anderen in Fluß, und so entstehen durchdie Gesellschaft und durch die sympathifchen Gefühle die Verständigungslaute und mitihr die fixierten Vorstellungen und Begriffe, das Denken selbst. Alle Erweiterung festerBeobachtung, alle umfassende Klassifikation der Erscheinungen, alle Anhäufung derErfahrung, alle Entstehung allgemeiner Urteile und das Weiterschließen daraus hängtan der Ausbildung fester Lautzeichen. Die Autorität des Vaters, des Häuptlingswirkt mit, das lose, eben erst entstehende Band, das im verstandenen Worte liegt, etwasfester zu ziehen. Es entsteht mit der Sprache und dem Denken das gesellschaftlicheBewußtsein.

Freilich zunächst nur in wenig fester Form. Die Ursprachen umfassen kleineGruppen von Menschen. Je niedriger die Kultur, desto zahlreichere verschiedene Sprachen