Teil eines Werkes 
Theil 2 (1752) Jacob Benignus Bossuet, Bischofs von Meaux, Einleitung in die Geschichte der Welt, und der Religion / fortgesetzet von Johann Andreas Cramern, Hochfürstl. Oberhofpredigern in Quedlinburg
Entstehung
Seite
130
Einzelbild herunterladen
 

izO Geschichte der christlichen Religion.

Abwege verleitet hat. Er muß, so sehr es ihm im-mer möglich ist, alle einzelne Schritte genau bezeich-nen, die bis zum Irrthume gethan worden sind.Frey von Parteylichkeit für seine gottesdienstlicheGesellschaft, muß er in den ersten Zeiten nicht blosdasjenige finden, was er gern darinnen finden möchte.Er muß die Gründe der Irrenden eben so wohl sei-ner Aufmerksamkeit würdigen, als die Widerlegun-gen der Rechtgläubigen. Denn selten findet eingroßer Irrthum ohne Scheingründe Glauben.

Doch es ist nicht genug, die unglücklichen Schick-sale der Religion zu erzählen. Wenn es nützlich ist,aufmerksam auf die Wege der Menschen zu seyn: soist es eine selige Belchaftigung, den Wegen derGottheit nachzuspüren. Gott hat allezeit die heiligeSchrift, diese Quelle unsers Unterrichts und unsersTrostes, unverändert erhalten. Man hat nicht alle-zeit bey ihrer Erklärung den Regeln einer vernünfti-Auslegung gcfolget; ja sie scheinet in tausend Aus-legungen nicht mehr Gottes Wort zu seyn; es hatauch Zeiten gegeben, wo man sie dem großen Hau-fen der Christen aus den Händen reißen wollte.Doch hat sie in der christlichen Welt niemals so sehrunglückliche Schicksale erfahren, als das Gesetz Mosiseinigemal unter den Jüden erfahren mußte. Welchein Wunder vor unsern Augen! Niemals habenauch alle Lehrer der Religion, und niemals haben siein allen Stücken geirrct. Die römische und grie-chische Kirche haben in den Zeiten der größten Fin-sterniß nicht bloß die Irrthümer, die der Wahrheitganz entgegengesetzt sind, sondern gemeiniglich nebenihnen auch die entgegengesetzten Wahrheiten, kurz,sie haben Widersprüche geglaubet. Sie glaubten,

daß