6z8 2.TH. Von der Orthographie.
schreiben mußte, desto kleiner, leichter und kürzergeriethen die Schriftlichen, bis sie die Gestalt un-serer heutigen Eurrcnt-Schrift bekamen. So lan-ge noch Spuren des alten Römischen Geschmackesübrig waren, herrschte auch in den Schriftzeicheneine edle Einfalt und ungekünstelte Schönheit. Alsaber der noch übrige Römische Geschmack unter derRohheit milder Barbaren erstarb, bekamen auch dieSchriftzüge ein wildes, widerwärtiges und barbari-sches Ansehen. Unter Carln dem Großen fingenOrdnung, Wohlstand, und zum Theil auch der Ge-schmack an sich zu bilden; allein der Geschmack ver-fehlte den einigen wahren Gesichtspunct, daher finddie Carolinifchen Buchstaben so ungeheuer lang unddürr, als die Bildsäulen dieses Zeitraumes. Dochbey der Gestalt der Schriftzüge kann ich mich hiernicht aufhalten, sondern muß in Ansehung derselbenauf die diplomatischen Werke verweisen.
§. 4> Ich will nur noch ein Paar Worte vonderjenigen eckigen oder gebrochenen Schrift sagen,denm wir uns in gedruckten Büchern bedienen. Siebildete sich erst in den spätern Zeiten in den Klöstern,vermuthlich aus der zitternden Current - Schrift,welche vorher üblich gewesen war, und wird daherauch die Mönchsschrift genannt, weil sie von denMönchen, welche Muße genug hatten, lange Zeitauf das Schreiben zu verwenden, am ersten und hau-sigsten in den Abschriften der Bücher gebraucht ward.Nennt man sie auch die Gothische, so kann sie denNahmen nur in so fern führen, als man den eckigenGeschmack dieser Zeit, welcher besonders in den Ver-zierungen der Gebäude herrscht, überhaupt Gothischnennet; denn bey denGochen ist diese Art derSchristnie üblich gewesen, lind zu der Zeit, da sie entstand,war auch an keine Gothen mehr zu gedenken.
Als