i.Kap. Allgemeine Grundsätze. §.io. 651
und es ist kein Zweiffel, baß nicht andere Völker sieeben so lebhast sollten empfunden haben, und nochempfinden. Allein, da wir dessen ungeachtet keinVolk kennen, welches sich dadurch bewegen lassen,seinem einmahl angenommenen Alphabete zu entsa-gen, und es mit einem andern zu vertauschen, somuß eine solche Änderung unter gewissen Umständenund ohne gänzliche Umschaffung des Volkes und sei-ner ganzen Cultur selbst gewisser Maßen unmöglichseyn, oder es müssen diese Unbequemlichkeiten nichtvon der Wichtigkeit seyn, daß ihre Hebung die weitgiößern Nachtheile einer solchen Veränderung auf-wicgen könnte. Es verhält sich mit der Schrift,wie mit der Sprache. Jede Sprache hat ben einergenauern Untersuchung unzählige Mängel, Abwei-chungen und Ungleichheiten, und doch erfüllet jedederselben die Absicht, wozu sie bestimmt ist, voll-kommen, und es ist noch niemanden eingefallen,sie um dieser Mängel willen umzumodeln, gesetztauch, daß eine solche Umschaffung mit einigerHoffnnng eines guten Erfolges unternommen wer-den könnte.
Ein anderer Umstand, welcher die Anwendungdes allgemeinen Naturgesetzes erschweret, ist der, daßdie Sprache eines jeden Volkes, wenn es nur eini-gen Umfang hat, in eine Menge von Mundarten ge-theilet ist, welche oft sehr weit von einander abwei-chen. Für die mündliche Rede hat das wenig Un-bequemlichkeiten, weil sie in den meisten Fällen anAnwesende von eben derselben Mundart gerichtet ist;allein desto größere für die Schrift, welche ihrer Ab-sicht nach für Abwesende und Entfernte bestimmt ist,folglich in einer Mundart so verständlich senn muß,als in der andern. Allein diese Verständlichkeitwürde wegfallen, wenigstens sehr erschweret werden,
wenn