652 2. Th. Von der Orthographie.
wenn das Gesetz, schreib wie du sprichst, so un-umschrankt und unbedingt genommen werden sollte,als eö lautet. Die eine Mundart spricht Mutter,eine andere Muetter, eine dritte Muter, eine vierteMotter, eine fünfte Moder. Wie leicht ist es da,den Sinn des Wortes zu verfehlen, wenn jede soschreibt, wie sie spricht. Freylich gab es eine Zeit,wo jede Mundart so geschrieben ward, wie sie lau-tete; allein das ist eben nicht die Zeit, die man zumMuster und zur Nachahmung empfehlen könnte,weil es gerade derjenige Zeitpunct ist, da Deutsch-land lind dessen Sprache noch von aller höhern Cnl-tur entfernt waren, und sich) derselben erst von wei-tem näherten. Man versuche cS, die Schriften die-ses Zeitraumes zu lefen, so wird man überzeugt wer-den, wie sehr dadurch der möglichst leichten Ver-ständlichkeit geschadet worden.
Selbst wenn ein Volk eine allgemeine Mundarthat, welche in allen Provinzen gleich verständlich ist,läßt sich das Gesetz, schreib wie du sprichst, nichtohne alle Einschränkung anwenden, vornehmlich we-gen deö schon oben bemerkten Mangels der einmahlangenommenen Buchstaben, welche für manche jautemehr als ein Zeichen, für manche Laute aber garkein einfaches Zeichen haben. Es kann daher selbstin der allgemeinen Deutschen Mundart nicht ohnealle Einschränkung so geschrieben werden, als manspricht, weil man bey einerlei? Aussprache iLrbe,Ärbe, Errbe und Ärrbe, Hexe, Häxe, Hekse,Häkse, Häckse, Hecd'se, Hecd'ße u. s. f. schreibenkann, so mancherley Schreibarten aber nothwendigdie allgemeine Verständlichkeit, die erste und einigeAbsicht der Schrift stören und hindern müjsen.
Ich habe bisher das allgemeine Gesetz, welchesin der Schrift einer jeden Sprache zum Grunde liege
und