656 2. Th. Von der Orthographie.
Der Nahme ist Griechisch und bedeutet eigent«lich die richtige Art zu schreiben, und in diesem Ver-stands wird er auch hier genommen. Allein sehr oftbezeichnet man damit auch eine jede Art, wie jemandeine Sprache und ihre einzelen Laute mit angenom«menen Schriftzeichen schreibet, und alsdann sprichtman auch von einer irrigen, fehlerhaften, selt-samen u. s. f. Orthographie; eine Bedeutung,welche freylich unschicklich ist, die man aber doch inErmangelung eines bessern Ausdruckes beybehaltenmuß, weil Schreibearc bereits in einem andernVerstände gangbar ist. Um für (Orthographieeinen Deutschen Ausdruck zu bekommen, hat manes in Rechtschreibung überseht; ein Wort, wel-ches schon hin und wieder aufgenommen ist, ob esgleich eben nicht auf die beste Art gebildet worden,weil von schreiben das Verbale die Schreibungnicht üblich ist, daher auch eigentlich keine Zusam-mensetzung machen könnte. Es hat überdieß nochden Mangel, theils daß sich kein Adverbium davonbilden läßt, weil rechtschreiberisch Geschmack undGehör noch mehr beleidigt, daher man denn dochwieder orthographisch gebrauchen muß, theilsaber auch, weil es sich nicht in dem zweyten weiternVerstands gebrauchen läßt, weil der Widerspruchhier noch auffallender senn würde, wenn man voneiner falschen oder irrigen Rechtschreibung re-den wollre, als bey dem Griechischen Ausdrucke, beywelchem man an den Wortverstand so sehr nichtmehr denkt.
Die Orthographie lehret, wie eine Spracheund ihre einzelen Laute mit den in derselben ange-nommsnen Schriftlichen richtig geschrieben werdenmuß. Sie unterscheidet sich dadurch von selbst aufder einen Seice von der Calligraphie, welche es
bloß