Die Münchener Geiseln in schwedischerGefangenschaft.
Von I. M. Förster.
An der Wand der Epistelseite der Wallfahrtskirchezu Namersdorf bei München befindet sich ein Bild,welches eines der wichtigsten Kapitel der Stadtgcmeindezum Gegenstände hat: die „Münchener Schwedengeiseln",und welches an eine der trübsten Zeiten erinnert, welcheunsere liebe Vaterstadt je durchgemacht hat.
Wir sehen im Vordergründe 40 Männer auf derErde knien, welche dankerfüllten Herzens den Blick nachOben richten, wo über einer perspektivischen Ansicht derStadt, vor welcher sich ein Heerlager dehnt, die Himmels-königin mit dem Jesukinde thront, neben welchen rechtsund links Engelgestalten schweben, welche Tafeln mitNamen halten.
Unterhalb des BildeS befindet sich eine lateinischeInschrift, welche zu deutsch lautet:
„Sieh an, o Mutter der Barmherzigkeit, der WeltHoffnung, Beschützerin der Unschuldigen, aller BetrübtenNothhelferin, Deine verpflichteten Diener und Pflege-kinder! Vierzig Geiseln fallen Dir zu Füßen, die ausErbarmniß des leidigen Unterganges, so Gustav Adolf,der Schweden König, der kurfürstlichen Hauptstadt Mün chen anno 1632 angedroht, sich für das Vaterland auf-geopfert, die liebe Freiheit in die Schanz geschlagen, indas Elend hinausgezogen und drei ganze Jahre weniger2 Monate als arme Gefangene darin versaßen; habenzu Augsburg , Donauwörth und Nördlingen , gleich alsin einen Nothstall eingepfercht, unzählbare Drangsaleausgestanden, der dreifachen Ruthe Gottes: Pest, Kriegs-und Hungersnoth stets unterworfen; sind trotzdem überAlles durch Deinen Schutz und Schirm hinweggekommen.Du hast sie im Gefängniß und eisernen Banden gestärkt,im Hunger gespeist, in äußerster Gefahr ihre Hoffnung,in Verschmachtnng ihre Beständigkeit aufgemuntert, inAbwesenheit menschlicher Hilfe ihnen Deine Hand gebo-ten und die Schooß Deiner Barmherzigkeit geöffnet.Schreiben es also nach Gott einzig Dir zu, daß sie demTod entronnen und aus der ganzen Schaar nur vierverloren. Daß sie leben und athmen und des Vater-landes wieder ansichtig wurden, ist eine offenbare Gnadevon Dir. Ach, erhalte sie bet so unverhofftem Wohlstände,laß sie vor aller Welt aufstehen und bezeugen, daß inDeinen Diensten und Gnaden Niemand verloren sei.
Die Münchener Geiseln,jetzt Marianische Gnadcnkinder 1635."
Beredter als ganze Bände spricht diese kurze In-schrift von dem Elende, das der „Befreier Deutschlands "— als welcher sich Gustav Adolf in seinem nach seinerLandung auf Usedom im Jahre 1630 erlassenen Mani-feste ankündigte — über Deutschland brachte-ein
Elend, das auch in dem bekannten Volksltede mit denWorten zum Ausdrucke gelangt:
Der Schweb' ist 'kommen,
Hat 'S Blei auS den Fenpcrn g'nommen,
Hat Kugeln drauS 'gössen,
Vater und Mutter erschossen.
Im April 1632 stand Gustav Adolf an den Gren-zen Bayerns . Donauwörth war bereits erobert, damachte ihm Tilly den Lechübergang bei Nain streitig,wurde jedoch am 15. April tödtlich verwundet und riethdem Kurfürsten Maximilian I. , wenigstens Regeusburgunter allen Umständen zu halten, wodurch das Land,
von allen Truppen entblößt, dem Feinde offen stand,der sich zunächst nach Augsburg wandte, das ihm nichtnur den Eid der Treue leistete, sondern in aller Unter-würfigkeit auf einer Denkmünze den alten NamenH.u§ri8ta, in 6ustava umänderte.
Von Augsburg aus betrieb Gustav Adolf sodanndie Eroberung Bayerns in recht gründlicher Weise: am10. Mai 1632 zog er in Landshut ein, dem er eine Brand-schatzung von 100,000 Thalern auferlegte und welches,da diese Summe nicht ganz aufgebracht werden konnte,für den Rest 6 Geiseln stellen mußte. Bereits am 12.Mai zog er von der rasch ausgesogenen Stadt wiederab und wandte sich nach Freising , daS 30,000 fl. Brand-schatzung erlegen mußte, was aber den Feind nicht hin-derte, außerdem noch allen vorhandenen Wein — an4000 Eimer (über 2700 Hektoliter) — alles Bier, sowieetliche Tausend Schüssel Getreide mitzunehmen undnebenbei die fürstbischöfliche Residenz zu plündern, sowiedie in bayerischem Gebiete gelegenen hochstiftlichen Be-sitzungen heimzusuchen.
In Freising war es auch, wo auf Ersuchen desKurfürsten der am Münchener Hof accreditirte französi-sche Gesandte Saint Etienne bei Gustav Adolf erschien,ihn im Auftrage des Kurfürsten um Schonung Münchens zu bitten. Allein der Schwedenkönig war von einem zutiefen Hasse gegen Maximilian erfüllt, stand zu sehrunter dem Einflüsse des in seinem Gefolge befindlichenEx-Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, des bekannten„böhmischen Winterkönigs" — der getreu bei ihm aus-harrte, obwohl ihm der Schwedenkönig die Pfalz nichtzurückgegeben, sondern für seine zu erwartende Wahlzum Kaiser als „Kammcrgut" rcservirt hatte — als daßer den Vorschlägen des Gesandten ein geneigtes Ohrgeschenkt hätte; ja er polterte wider denselben, daß ihmdie Münchener nicht einmal eine Unterwerfungs-Depu-tation entgegengeschickt hatten, die er doch schon in Moos burg erwartet habe; man scheine einen Anschlag gegenihn zu planen, wofür er die Stadt büßen lassen werde.
St. Etienne schickte hierauf unverzüglich eine Esta-fette an seinen Geschäftsträger in München , de Bering-han, mit dem Auftrage, eine Deputation des Rathesnach Freistng zu veranlassen, welche auch, bestehend ausdem kurfürstlichen Rathe Büttner, den beiden Bürger-meistern Ligsalz und Barth und dem RathsmitgltedePaul Partorfer, am 15. Mai vor dem Könige erschien,der sie hart anfuhr, so däß die Deputirten ihn schließ-lich auf den Knien um Schonung der Stadt baten.Gustav Adolf sagte ihnen auch in der That Schonungder Stadt vor Brand und Plünderung, Sicherung desPrivateigenthums und der Personen, sowie Achtung derReligion und politischen Verfassung zu — stellte aberauch gleichzeitig die Erhebung einer Brandschatzung inAussicht, deren Höhe erst nach seiner Ankunft in Mün chen festgestellt werden sollte.
Bereits am 16. Mai erschien die Vorhut des schwe-dischen Heeres vor München , welches der Ankunft desGros der Armee mit umso größerem Schrecken entgegen-sah, als der Feind mehrere benachbarte Dörfer nieder-brannte, aus denen das Jammergeschrei der Besitzer bisin die Stadt drang. Dem Kommandeur der Vorhutmußte noch in der Nacht vor das Neuhauserthor hinausWein und Brod geliefert werden.
Am 17. Mai endlich, am Montag in der Kreuz-woche, näherte sich Gustav Adolf mit seinem Heer über