Druckschrift 
Neubau der Weltwirtschaft / von Gerhart von Schulze-Gävernitz
Entstehung
Seite
24
Einzelbild herunterladen
 
  

24

danken und sehen wir zu, wie die deutsche Geschäftswelt sichdemgegenüber stellen würde.

Keine Frage, daß eine ganze Reihe von Industrien diesemGedanken unsympathisch gegenüberstände, weil es in Osterreich etliche Industrien gibt, z. B. Glasindustrie, Porzellanindustrie,eine gewisse Holzindustrie, besonders die Möbelindustrie, diebei dem Fortfall aller Zölle zwischen Deutschland und (ister-reich den entsprechenden deutschen Industrien unbequemwürden. Aber es kommt ja nicht nur darauf an, wie die deutscheIndustrie darüber denkt, sondern auch darauf, wie die öster-reichische und die in der Entwicklung begriffene ungarischeIndustrie darüber denkt. Und ich glaube, man sollte beisolchen wirtschaftlichen Fragen gerade angesichts der Er-fahrungen, die wir gemacht haben mit diesem Kriege, derdoch in der Hauptsache ein Wirtschaftskrieg ist, nicht ignorieren,wie die andere, die österreichische, die ungarische Seite,, übereine solche Frage denkt. Denn wenn wir politisch mit Öster-reich-Ungarn in Zukunft zusammenhalten wollen, dann dürfenwir es nicht wirtschaftlich verärgern und uns wirtschaftlich zuFeinden machen in dem Sinne, daß sie durch irgend einderartiges Bündnis glauben, vulgär gesprochen, übers Ohr ge-hauen zu sein. Und da möchte ich sagen, daß die öster-reichische Industrie einer solchen Zollunion mit viel größererAbneigung gegenübersteht als etwa die deutsche Industrie,gar nicht zu sprechen von den Ungarn , die längst nicht mehrein rein agrarisches Land zu sein wünschen, sondern die denEhrgeiz haben, ebenfalls allmählich ein Industriestaat zuwerden, und, da sie ihre Industrie erst entwickeln müssen,natürlich glauben, eines Zollschutzes zu bedürfen, eines Zoll-schutzes nicht nur gegen die hochentwickelte deutsche Industrie,sondern sogar gegen die österreichische Industrie. Nun, meineHerin, solange Ungarn und Osterreich darüber nicht einigsind, wird man es sehr begreiflich finden, wenn die deutscheIndustrie abwartend abseite steht und nicht den Schein er-wecken möchte, als ob es ihr besonders darauf ankäme, nun-mehr infolge Niederreißens aller Zollschranken zwischenDeutschland und Osterreich-Ungarn ein Übergewicht zu er-langen oder das ist doch wohl zweifellos das voi'handeneindustrielle Übergewicht besser ausnutzen zu können. Ichmöchte also behaupten, daß der Gedanke einer Zollunionbereits ad acta, gelegt ist und keine Aussicht auf Verwirklichunghat, wie gesagt, viel weniger, weil die deutsche Industrie ihrungünstig gegenübersteht, sondern weil die andere Seite es