8
ständigen Troddel und Hohlkopf, können dabei nicht entschieden genug zurück-gewiesen werden. Nichts ist billiger und einfacher, als die Arbeit eines Mannesdurch Beschimpfungen blosszustellen. Es ist kindisch, zu sagen: Der Fürst ist einIdiot, also sind seine Mitteilungen auch idiotisch. Auch mit humoristischen Schilde-rungen des langen Schädels des Fürsten , der an einen Cretin erinnere, mit derWiederholung einer Aeusserung Roger Casements, Nicolson habe Lichnowsky einenVerrückten genannt (in einem wenig geschmackvollen Berliner -Artikel einerSchweizer Zeitung), mit wenig vornehmen Seitenhieben auf die dichtende exzentrischeGattin des Fürsten ist der historischen Wahrheit nicht gedient. Aber auf diesekam es ja auch den Berliner Feinden des Fürsten nicht an. Man wäre sogar ver-sucht, anzunehmen, dass auch die Schuldfrage selbst sie nur in geringem Masseinteressierte, da sie sich sonst wohl vor allzu übereilter Aburteilung gehütet hättenund nicht blind an gewissen Beobachtungen des Fürsten vorbeigegangen wären,die der Entente zum Mindesten ebenso unangenehm sein dürften wie den Mittel-mächten. In Berlin scheint man aber nur für die Angriffe des Fürsten auf die Per-sönlichkeiten im Auswärtigen Amt Sinn gehabt zu haben. Ihr Ansehen geht in derTat nicht gerade leuchtend aus der Denkschrift hervor. Ausserdem verwirrte wohlschon die blosse Tatsache, dass ein Fürst Lichnowsky , ein deutscher Botschafterin London, ein vom Auswärtigen Amt auf den wichtigen Londoner Posten gesandterStaatsmann, plötzlich seiner Regierung „in den Rücken fällt!“ Das erschien denBerliner Kreisen schon als so kompromittierend, dass man keine andere Rettungmehr sah, als die Redensart von dem verbitterten, unfähigen pathologischen Mann.Der Reichstag hat es sich selbstverständlich nicht nehmen lassen, bei der Regierunghöflich anzufragen, wieso ein solch unfähiger Mensch Botschafter in London werdenkonnte, und die Antwort erhalten, dass er früher ganz brav gewesen sei!
Mit solch billigen Mitteln kommt man natürlich nicht aus. Fürst Lichnowsky ist pathologisch ? Warum soll er es nicht sein! Andere Leute leiden wieder ananderen Formen der Kriegspsychose. Er besass keine besonderen Fähigkeiten?Ja, woher sollte er. sie denn haben, er, der nur wegen seiner ihm heute so heftigvorgeworfenen „Anglomanie“ nach London gesandt wurde! Seine Urteile sindeinseitig orientiert? Gut, aber warum orientierten die Berliner Herren ihn soeinseitig, warum Hessen sie ihn in Unkenntnis über wichtigste Vorgänge? Dasrächt sich heute. Es ist auch richtig, dass der Fürst seine Schrift aus Verbitterungund Rechthaberei gegenüber allzuschroffen und allzu unvorsichtigen Angriffen ge-schrieben hat. Aber entschuldigt ihn das nicht gerade? Und kommt es wirklichauf all diese Nebenumstände an ? Und ist es klug, falls seine Arbeit wirklich nurAusfluss persönlicher Motive und ihr Ergebnis wertlos wäre, in der Abwehr auchnur mit persönlichen Motiven vorzugehen und wertlose Ergebnisse zu erzielen ?Bestehen bleibt, trotz des langen Schädels und der Anglomanie, trotz der Unfähig-keit und der Verbitterung, dass Fürst Lichnowsky deutscher Botschafter in London war. Als er seine Schrift abfasste, war er es nicht mehr, aber nichts auf derWelt kann hindern, dass er es gewesen ist. Er hat nicht auf Grund von genauenAufzeichnungen, er hat für rein persönliche Zwecke seine Denkschrift verfasst.Das alles stimmt. Aber diese Schrift liegt nun einmal vor, sie ist die Denkschrifteines früheren Botschafters in London . Es hat also keinen Zweck, sie dem Publi-kum vorzuenthalten, sie mit polemischen Redensarten abzutun. Wir sind durchvier Jahre lange Kriegspropaganda hinreichend gewitzigt, um ohne offiziöse Polemik