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Die Denkschrift des Fürsten Lichnowsky : [der vollständige Wortlaut] ; meine Londoner Mission 1912 - 14, von Fürst Lichnowsky, ehemaliger deutscher Botschafter in London ; [zur Vorgeschichte des Krieges] / hrsg. von einer Gruppe von Friedensfreunden
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deshalb noch lange nicht nennen; damit beweisen sie nur, dass sie denselben Fehlermachen, den sie dem Fürsten vorwerfen, dass sie nur an Aeusserlichkeiten hängenund nicht in die Tiefe zu gehen vermögen.

Ein Verräter ? Nein! Fürst Lichnowky mutet vielmehr an wie jene merkwürdi-gen und liebenswürdigen Erscheinungen aus dem 18. Jahrhundert, die im frohenTreiben des französischen Hofes über die kleinen deutschen Gesichtspunkte hinweg-sahen, sich im Glanze Versailles sonnten und sich wohl auch im Feuer dieser Sonnedie Flügel verbrannten.

Wie in den Memoiren jener Epoche des Niedergangs spiegelt sich auch hierein sterbendes Zeitalter wieder, ein Zeitalter der Verderbnis, des Leichtsinns, desschrankenlosen Hochmutes, das Zeitalter einer prunkhaften und verrotteten Ge-sellschaft, die sich anmasst, die ganze Welt zu regieren und für die das Volk,sein Wille, sein Glück, sein Leben nicht zählt.

Indem der Fürst als Mitspieler des wirren Treibens, das er liebte, sein ver-blassendes Bild festhält, gewährt er uns, oft ohne es zu wollen, oft ohne es zuahnen, einen tiefen Blick in die Welt, aus der der Krieg hervorbrach, hervorbrechenmusste.

Und damit gibt er gleichzeitig und dafür darf man ihm danken den un-schuldigen Opfern einer verrotteten Zeit die Möglichkeit, die wirklichen Ursachen, nicht nur die umstrittenen äussern Anlässe des ungeheuren Jammers zu er-kennen und zu bekämpfen.

Denn jene Welt muss untergehen in den Flammen dieses Krieges.

Ein neues Zeitalter muss aus ihrer Asche erstehen.