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Die Bildung der Parteien.
Die Radikalen.
Verhandlungen über einen so wichtigen, alle Interessen desLebens ergreifenden Gegenstand mußten den Kammern eine hoheBedentnng sichern. Aber alle diese Kämpfe spielten in den engenGrenzen des Kleinstaates, und wenn sie sich in anderen Staatenwiederholten, so war das doch nicht in den gleichen Jahren;überdies gestaltete sich der Kampf der Parteien auch um dengleichen Gegenstand in jedem Staate anders. Da nun in Preußen ,dem einzigen Staate von hinreichender Größe, die parlamentarischenEinrichtungen fehlten, so blieben für eine Parteibildung im großenStil nur die Fragen der nationalen Entwicklung, und darin siegtenbis 1820 die Partikularisten und die Gegner eines nationalenAufschwungs vollständig. Die Sehnsucht der Patrioten nacheinem deutschen Staate mußte sich in die Stille des Herzensflüchten, ihr Ideal hatte zahlreiche Anhänger und Märtyrer, aberes konnte sich keine Partei bilden, die öffentlich nnd mit der nötigenFreiheit bestimmte Vorschläge hätte erwägen und vertreten dürfen.Um so leichter gelang es radikalen Einfällen, unter dem duldsamenMantel des Zornes und iu dem jede Unklarheit beschönigendenDunkel der heimlichen Zusammenkünfte und flüchtigen BeredungenBeisall zu gewinnen, deren Thorheit sich bei größerer Freiheit derBewegung sofort offenbart hätte.
Durch die Verfolgung wurden ferner manche Anhänger desfrommen, vielfach ganz in mittelalterlichen Anschauungen schwel-genden Kaisertraums und Einheitstrnnms der Zeit der Befreiungs-kriege zn revolutionären Gedanken fortgedrängt. Die Fortdaueraber der Fronden und der ungerechten Verteilung der Lasten, sowiedie Mißachtung von Recht und Gesetz in den politischen Prozessenvon Arndt an bis auf Pfarrer Weidigs Tod, endlich die nochdunkleren Gerüchte, die bei dem heimlichen Gerichtsverfahren un-ausrottbar darüber in Umlauf kamen, waren die wirksamsten Mittel,solche Gedanken auszubreiten. Überall vermuteten und suchten dieDambach und Tschoppe Verschwörungen, wo keine bestanden, abersie merkten die eine große nicht,
die ihre weitlnuftigeu Verzweigungen über ganz Teutschland durch alleStande, Alter nud Geschlechter hinverbreitet, die murrend an jedem Herde