Der Vereinigte Landtag . Gewaltiger Eindruck.

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Der Landtag übertraf noch alle Erwartungen. Er fordertezunächst mit Nachdruck, daß ihm der König das Recht der periodischenBerufung zusprechen solle. Und als ssich Friedrich Wilhelm IV. dazn nicht verstand, da erklärte der Landtag sich für uicht berechtigtdie Anleihe zu bewilligen, die der König für den Bau der Eisen-bahn Berlin -KönigSberg forderte. Die Notwendigkeit der Bahnerkannte der Landtag an, er billigte auch den Weg der Anleihedurchaus, aber selbst die Abgeordneten der Provinz Prenßen, diedringend nach dem Bahnban verlangte, erklärten bestimmt: wirhaben kein Recht, eine Anleihe zu bewilligen, wenn wir nicht einRecht haben, in regelmäßiger Wiederkehr uns wieder zu versammeln;denn eher sind wir keine Volksvertretung im Nechtssinne.

Ganz Deutschland richtete seine Augen auf Berlin , alle anderenKammern versanken in Unbedcutendheit vor dieser Versammlungdes preußischen Staates. Man war erstaunt über die Fülle von ge-schäftskundigen, gewandten, teilweise hervorragend begabten Rednernund Politikern.

Wie nach dem erstarrenden Winter der Frühling die Erde stärkt und zuneuen Geburten belebt, so durchdrang eine Frühlingskrast unS und die ge-samte deutsche Nation, als Preußens Stände zu ihrem ersten Reichstageversammelt wurden. Die Erinnerung an so viele Nichtigkeit schwand vorder Hoffnung, die uns mächtig ergriff: auch wir würden jetzt das Rechtentwickeln, auch wir würden ein mächtiges und geachtetes Volk werden, auchwir würden leben im Genusse geordneter Freiheit. Das begeisterte Wortunserer Vertreter drang mit erschütternder Wirkung bis hinan an den Kernunseres Lebens, und wir Jüngeren, denen die kriegerische Erhebung derNation zu Anfang des Jahrhunderts zu sehen nicht vergönnt war, empfandenzum ersten Male die Bedeutung einer sittlichen, das ganze Volk ergreifendenBewegung. In das ausgesogcne Gebiet intellektueller Bestrebungen sahenwir diese Bewegung wie einen frischen Strom geleitet, an dessen Ufern dieGräser sich wieder grünend aufrichten? wir tranken daraus mit durstigenZügen wie aus einem Lebensbrunnen.

Dieser Dithyrambus ist von dem geistvollen Rudolf Haym unter dem unmittelbaren Eindruck der Verhandlungen geschrieben,in der Vorrede zu einer Schilderung derReden und Redner desersten Preußischen Vereinigten Landtags", aus der uns heute nochein Hauch des Lebens jener Tage anweht. Schon die Adreßdebattezeigte, daß die Bewegung der Zeit den König und seinen Entwurflängst überholt hatte, aber die Männer, welche die Träger und