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Geschichte der Buchdruckerkunst in ihrer Entstehung und Ausbildung : Ein Denkmal zur vierten Säcular-Feier der Erfindung der Typographie ; Mit einer reichen Sammlung in Holz und Metall geschnittener Facsimiles der seltensten Holztafeldrucke, Nachbildungen von Typen alter berühmter Officinen und Proben von Kunstdrucken nach den neuesten Erfindungen unserer Zeit / von Dr. Karl Falkenstein, Königl. Sächs. Hofrathe und Oberbibliothekar, ...
Entstehung
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Faurcns Janszoon Koster aus Karlem.

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geschieht, daraus gefolgert werden, daß der Ko-ster'scl'e Heilspiegel nicht lange vor 1483, nämlichzwischen 1470 und 1480 gedruckt worden, sondernvielmehr aus einen längeren Gebrauch der Bild-tafel», welche aus einer Werkstatt in die andereübergegangen waren, zu schließen sein.

Die örtliche Sage von Hartem, welche zuerstwieder in dem sechsten Jahrzehend des sechszehntenJahrhunderts durch einen van Znyren und Coorn-hert und dann durch Adrian Junius ins Lebengcrusen worden, ist also durch solche unwiderleglicheBeweise von Originaldrucken in der Hauptsachewohl begründet und berechtigt durch ihr Hinzu-treten zu jenen typographischen Zeugen das viel-fach angesochtcne Hartem eben so gut als Mainz ,Bamberg nnd Straßbnrg für eine der Geburrsstät-ten des sogenannten Vriesdruckes " und des darausentstandenen primitiven Buchdruckes anzuerkennen.

DaS bis gegen 1470 hinabreichcnde Alter meh-rerer dieser holländischen Druckwerke ist durch ihreeigene innere Natur der successiven Entstehung zueiner so uuabwcislichcn Gewißheit erhoben, daßsich schon Koning in die Nothwendigkeit versetztsah, nach Koster's Tode eine Fortdauer der Werk-statt durch seine Nachkommen anzunehmen und ihrzum wenigsten deren fünfzigjähriges Bestehen an-zuerkennen. Daraus solgt aber, daß der Koster,den die Sage ursprünglich vor Augen hatte, nichtder adelige Rathsherr und Kirchenvorstcher Lau-rens JanSzoon, der schon im Jahre 1439 starb,gewesen sein kann. Wenn daher aus der einenSeite die neuesten Vertheidiger HarlemS, Koningund Scheltema, daS Wesen und die Natur derVolkSsage, welche der als HauptbewciSquelle an-geführten Erzählung des Junius zum Grunde liegt,nicht mir verkannt uud den Koster'schen Druckendurch allerlei Gründe ein viel zu weit hinaufge-schraubtes Alter zugedacht, sondern auch den edelnGutenberg ungerechter Weise beschuldigt haben,nur durch eiuen Diebstahl in der Harlemer llr-osficin zum Geheimniß des Letterngusses gelangtzusein: so können doch auch die Vertheidiger vonMainz, Straßburg und Bamberg , wenn sie gleich-wol die ganze Harlemer Sage als ein Mährchen ver-werfen, den historischen Beweis der Drnckvenkmäler

selbst, als gänzlich verschieden von allen ober-deutschen Erzeugnissen dieser Art, nicht hinweg-räumen, noch vermögen sie die selbstständige Er-findung in ihrem allmäligen Fortschreiten vomeinfachen Drucke mit Holztafeln zn jenem mit be-weglichen Mclalliypen, der in Holland zwischen1450 und 1470, ob nun durch Koster und seineKinder oder durch Individuen anderen Namens,ausgeübt worden ist, vor dem unbefangenen Nich-terstuhle der Kritik in Abrede zu stellen. DerGrund jedoch, daß Holland nicht, wie Deutschland ,eine Pstanzschule der ueucn Kunst wurde, vonwo aus sie in alle Reiche und Staaten Europas ihre Wurzeln trieb, sondern vielmehr den Niescn-forischritten der Mainzer Officinen uud derenZweigwerkstätten weicben mußte, liegt in dem Un-vermögen der Harlemer Typographen, die Schwie-rigkeiten eines kleineren Letterngusscö, als ihrealterthümliche scharfkantige Missallype war, zubesiegen und die Vervollkommnung der Kunst dnrchstählerne Patrizen und kupferne Matrizen sich an-zueignen.

Das Wahre der ganzen hollandischen Ansprüchedürste nun sein, daß ein Küster zu Harlem , dendie SageLorenz, Sohn des Johann" nenntund welcher das zu jeuer Zeit einträgliche Gewerbeeines Briefdruckers betrieb, bald nach 1440 nichtnur auf selbstständigcm Wege Bücher in Holztafclnschnitt, sondern cmch metallene Lettern zum Druckeanwendete, nnd daß die bis zum Jahre 1470 inHolland erschienenen undatirtcn xylographischenund topographischen Denkmäler, deren mau eine-Anzahl von ungesähr 20 kennt, wenn nicht sämmt-lich seine eigenen Werte, doch wenigstens die Ar-beiten seiner Schüler sind. Alles Uebrige aber,namentlich was in der bekannten Erzählung beiJuniuS hinzugekommcn, verdient weniger Glau-ben, weil es theils mit anderen Thatsachen nichtin Uebereinstimmung stehet, theils Mißverstandnißund Untnnde verräth. So scheint der VerfasserderBatavia" mit der vorangegangenen Xylo-graphie gar nicht vertraut gewesen zu sein. Wozubedürfte es jener zufälligen spielenden Veranlassungbeim Spaziergange im Harlemer Waldchen, daKoster, wie seinSpieghcl onzcr liehouoenisse"

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