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Faurens Innszoon Koster aus Hartem.
zeigt, von Hause aus Briefdrucker gewesen seinmuß. Am wenigsten haltbar erscheint der Zusatzvon dem untreuen Diener Johann uud dessen Dieb-stahl. Denn abgesehen von der physischen Unmög-lichkeit, dasi ein einzelner Mensch iu einer einzigenNacht und zwar nur wahrend der einstüudigeuDauer des Gottesdienstes die Geräthschaftcn einerausgedehnten, mehrere Gehülfen beschäftigendenDruckerei unentdeckt hatte entwenden und fort-schaffen können: so würde der untreue Diener,eingeweiht in die Geheimnisse seines Herrn, wie erwar, diese doch gewiß eher in seinem Kopfe mit sichfortgenommen und anderwärts neue Lettern gemacht,als sich durch das Stehlen derselben die Flucht er-schwert und durch Wiedcrauwendung des Gestohlenender Entdeckung uud Bestrafung sich ausgesetzt haben.
Die Gegner Harlems schließen auS dem Um-stände, daß die identischen Holztafeln des „Heil-spiegels" in der Hans Veldener'schcn Ausgabe von1483 entzwei gesagt und ganz abgenutzt wieder zumBorschein kommen und aus den kleinen Schriftendes Laurentius Valla , des Aeneas SylvinS unddes CardiualS Torgnemada ('l'iiirecicmal.i), derenTodesjahr zwischen 1464 und 1467 fallt, es könnenalle diese Drucke erst nach der allgemeinen Verbrei-tung der neuen Kunst von Mainz aus (1462) ent-standen sein. Allein die Berücksichtigung, daß vor1470 Guteuberg's Erfindung in den Niederlandenganz unbekannt war und daß die Mainzer Typo-graphie erst mit uud uach diesem Jahre in Flandernzu Aalst uud Brügge und in Holland am frühestenzu Utrecht nachgeahmt wurde, ferner daß sowoldas ABCdarium als der Donat n»v (5ato, vorallem aber das „8i>el-»Iuin" mindestens in die Zeitvon 1440 bis 1470 fallen und daß die althollandi-sche (Koster'sche) Officin mit dem letzteren Jahreunserem Ange entschwindet, verscheucht nicht nurdie Zweifel wegen der Todesjahre der oben genann-ten Gelehrten, sondern giebt auch der fast zur Ge-wißheit gesteigerten Bcrmuthuug Raum, daß jeneBücher nicht das Erzeugnis? bloßer Nachahmung,sondern die Prodncte einer, fern von Mainz , auSeigener Wurzel entstandenen gleichzeitigen Erfindungseien. So finden wir denn auch hier bei der wich-tigsten aller Erfindungen bestätigt, was Goethe so
treffend sagt: „JcdeS Zeitalter schwebt in einerAtmosphäre gemeinsamer Gesinnungen und Ge-danken, und ist es ebenso natürlich, daß dieselbenEntdeckungen von verschiedenen Personen ungefährum dieselbe Zeit selbstständig gemacht werden, alsdaß in verschiedenen Garten Früchte einerlei Art zugleicher Zeit vom Baume fallen."
Hatten die Verfechter der holländischen An-sprüche die Harlemer Sage auf ihreu ursprünglichenKern zurückgeführt und sich auf die Vertheidigungeiner primitiven typographischen Presse in Harlem von gleichzeitiger Entstehung, wie die des JohannGutenbcrg in Mainz , beschränkt: so würde esihnen besser gelungen sein, dem Mitanspruche Har-lems ans die Ehre der Erfindung der Typographieauch anderwärts Eingang zu verschaffen. Stattdessen suchten sie die auf unvollständige Sachkundegestützte Erzählung des Juuius in allen ihreu Ein-zelnheiten zu retten, zogen es vor, eher Alles ausdas Spiel zu setzen, als das Geringste aufzugeben,uud verscherzten sich auf diese Weise sowol bei denDeutschen, als bei anderen Nationen zum großenTheile die Glaubwürdigkeit ihrer Behauptung.
Da jedoch die holländische Erfindung für sichabgeschlossen ohne weiteren Einfluß auf die Nach-barstaaten blieb, ja zum Theil in sich selbst ver-sank, oder in den Niederlanden von den deutschenZuuftgeuossen überflügelt sehr bald sowol in derForin, als in der Anwenduug der Typen diesemEinflüsse zu weichen begann, wahrend die deutscheEntdeckung mit unglaublicher Schnelligkeit nachallen Richtungen hin fast in allen Staaten Europas sich verbreitete: so tritt jene mit ihrem Koster indem großen EntwickluugSbilde der neuen Knust be-scheiden in den Hintergrund uud Mainz und seinGutenberg bilden den Glanzpunkt des Gemäldes.Seitwärts im halben Lichte erscheint ein rathsel-hafter Mann von deutscher Abkunft, der als dritterMitbewerber um die Ehre der Erfindung der be-weglichen Lettern Anspruch auf eine ihm bisherallzulang verweigerte Anerkennung macht. Es istAlbrecht Pfister , Formenschneidcr uud Briefdruckerin Bamberg , welchem in diesen Blättern an sei-nem Orte ein besonderer Abschnitt gewidmet wer-den soll.