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Herr von Bismarck : Aus dem Französischen übertragen von K. A. Von dem Verfasser durchgesehen und bis auf die neueste Zeit fortgesetzt / von Ludwig Bamberger, Mitglied des Zollparlaments
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selbe Mann, welcher sich im Jahre 1849 als den prinzipiellen Geg-ner einer jeden Amnestie gezeigt hatte, war bestimmt, im Jahre 1866noch in der Nacht vor dem Einzug der Truppen in Berlin , demKönige das Dekret zu entringen, welches alle wegen politischer Ver-gehen erlassenen Strafurtheile außer Kraft setzte. Ihm einen elasti-schen, für die Ideen des Fortschritts empfänglichen Geist zuerkennen,hieß ihm ein Zugeständniß von um so größerer Tragweite machen,als man einem Menschen von seinem Scharfblick nicht wohldie Gabe absprechen kann, die Consequenzen seiner eigenen Handlun-gen vorauszusehen. Ihm mußte das ist nicht zu bezweifelnklar sein, daß Venedig befreien so viel hieß als Rom angreifen;Oesterreich schlagen so viel als das Konkordat untergraben und Ungärn aufrichten; Deutschland einigen soviel als mit der Legitimitätbrechen.

Wenn aber er entschlossen war, vor den Folgen seiner Unter-nehmung nicht zurückzuweichen, so hatte er in erster Linie mit Per-sönlichkeiten zu thun, die von einem sehr verschiedenen Geiste beseeltwaren.

Anspielungen auf diese Verhältnisse finden sich nicht in denjenigenBekenntnissen des Herrn v. Bismarck, die seinem Eintritt ins Mi-nisterium vorangehen; aber sie kehren, und in immer stärkerer Beto-nung, wieder, in dem Maße als seine Politik ihrer endlichen Lösungentgegenschreitet. Damals galt es mit allen lebendigen Kräften desVolkes zu rechnen, sich der Mitwirkung der aufgeklärten Patriotenund des Aufschwungs der liberalen Meinung zu versichern. Denn ermußte die Möglichkeit einer Niederlage mit in Erwägung ziehen.

Herr von Bismarck hatte während des über die Militär-Reor-ganisation und die Budgetfrage entstandenen Conflikts keine persön-lichen Beziehungen zu der parlamentarischen Opposition gehabt. AberAnfang Juni 1866, als der Krieg unvermeidlich geworden, suchte er