Charakteristik der wirtschaftlichen Krisen.
Wer sich eingehend mit dem theoretischen und praktischen Stu-dium wirthschaftlicher Fragen befasst, wird immer und immer wiederdie Schwierigkeit erproben, die inneren Gesetze der äusserlich her-Yortretenden Bewegungen zu entdecken. Er wird namentlich finden,wie weit ab sie häufig, ja gewöhnlich, von den populären Anschauungenund Erklärungsweisen liegen. Es hat dies vor Allem seinen Grundin der allzugrossen Nähe und Unmittelbarkeit, in der wir die wirth-schaftlichen Vorgänge betrachten.
Auf keinem Gebiete der Wissenschaft und Praxis ist es schwie-riger aus der wechselvollen Fluth der uns umwogenden wirthschaft-lichen Erscheinungen, im Wege der Abstraction, zur klaren Er-kenntnis der treibenden Ursachen der die Bewegung beherrschendenGesetze zu gelangen, als in der National-Oekonomie. Diese, demStudium der Volkswirthschaft immanente Schwierigkeit wird aber be-deutend gesteigert durch die Complication der Erscheinungen. Selbstdie einfachsten Vorgänge, z. B. Steigen oder Fallen des Preises einerbestimmten Waarengattung, resultiren häufig aus dem Zusammen-oder Gegeneinanderwirken verschiedener Ursachen, von denen oft dieeine allgemein fasslich hervortritt, während die andere, und vielleichtgerade die wichtigere, sich der oberflächlichen Beurtheilung voll-kommen entzieht. Stets ist aber eine solche Complication der Ur-sachen vorhanden, wenn es sich um aussergewöhnliche Bewegungen,11m sogenannte Krisen in der Volkswirtschaft handelt. Und ist esoft schon schwierig, alle dabei mitwirkenden Ursachen, als solche,zu erkennen, wie viel schwieriger noch, den grösseren oder gerin-geren Antheil jeder einzelnen Ursache an dem Gesammtresultat ab-zuwägen! Die Kenntniss der Fundamentallehren der Volks-wirtschaft ist hierzu unerlässlich, und damit gerade sieht esnoch so traurig hei uns aus. Von aussen her, auf rein empirischem
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