628 -.Th. Von der Orthographie.
staben, weil man in der Sprache, worin es einhei-misch war, nicht mehr als so viel einzele Laute deutlichunterschied. Rahm ein anderes Volk dieselbe an,welches in seiner Sprache mehr einfache Laute hatte,oder ein feineres Gehör befaß, mehr in derselben zuunterscheiden, so richtete es das angenommene Alpha-bet gemeiniglich nach Maßgebung seiner Sprache ein.In allen Fällen aber griff es allemahl lieber nach eineinbereits vorhandenen Alphabete, als daß es sich einneues und eigenes hätte erfinden sollen; ein deutlicherBeweis, wie tief die dunkele Empfindung der erstenund einigen Absicht der Sprache und Schrift, demMenschen eingepräget ist, und wie sehr er von Na-tur alles Willkürliche scheuet. Ich bin bey naheüberzeugt, daß es jetzt eben so unmöglich seyn wird,neue Schriftzüge zu erfinden, als es ist, eiue neueSprache zu erdenken; wohl verstanden, wenn beydekein bloßes Spiel des Witzes und der Muße bleiben,sondern die Absicht, warum beyde da sind, erreichen,lind folglich von einer ganzen Menge Menschen an-genommen werden sollen. Die Ursache ist leichteinzusehen ; beyden fehlet jetzt der einige Grund,worauf sie gebauet werden müssen, der einigePunct, von welchem sie ausgehen müssen, wenn sienicht bloß willkührlich seyn sollen, der Sprache nähm-lich der Naturton, und der Schrift das Naturbildoder die Hieroglyphe. Nicht, als wenn beyde jetztnicht eben so sehr vorhanden wären, als in der Kind-heit des menschlichen Geschlechtes, sondern weil wiruns in dem jetzigen Zustande der Cultur eben so we-nig mehr nach diesen Gründen bestimmen können,als sich der Mann noch den Begriffen seiner Kind-heit bestimmet. Es müßte daher eine neue Spracheund Sci>ift entweder von alten schon vorhandenenentlehnet werden, und dann wäre sie nichts neues,
oder