Ausgabe 
5 (27.4.1845) 17
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zugestehen, daß in Norwegen mehr gesunder Verstand sey als hierin Schweden ; denn, wie bekannt, ist hier noch voriges Jahr einerunserer Mitbürger vom Gerichte zweiter Instanz, gegen den Wort-laut des §. 16. der Konstitution, zur Landesverweisungund zum Verlust seiner bürgerlichen und erbschaft-lich cn Rechte verurtheilt worden, weil er Katholik geworden ist.Zwar gab man sich seither der Hoffnung hin, entweder daß daöoberste Reichsgericht, an welches der Vcrnrtheilte appellirr hat,dieses harte Urtheil cassiren, oder daß die NcichSständc sichgegen eine solche sophistische Deutung des genannten H. 16. ver-wahren und sich der Gewissensfreiheit annehmen würden. Aberweder das Eine noch das Andere ist bis auf diesen Tag geschehen.Der V,r»rthcilte wartet schon bald ein Jahr vergebens auf irgendeinen Entscheid von Seiten des obersten Reichsgerichtes, so daßeS scheinen Will, als ob dieses Tribunal weder ihn zu verdammennoch frei ;u sprechen vorhabe. Die ReichSstcindc sind auch schonseit zehn Monaten versammelt, ohne daß irgend ein günstigerLaut für die Sache der Gewissensfreiheit vernommen worden wäre,im Gegentheil, die einzige Motion, die in Bezug auf diese An-gelegenheit bisher am Reichstage gemacht worden ist, lief auf dieProposition hinaus, daö apostolische Vicariat in Schweden für jedeKonversion eines staatskirchlichen Lutheraners zum Katholicismusverantwortlich zu macheu, d. h. beide, den apostolischenVicar und den Konvertiten in das Exil zu schicken.Zwar sind die Stände in diese Proposition nicht eingegan-gen , haben aber auch nichts zu Gunsten der Gewissensfreiheitentschieden. Diese auffallende reichsständische Abneigu, g gegenAlles, was wirkliche Gewissensfreiheit heißt, hat denn auch zurFolge gehabt, daß das bekannte staatskirchliche Konsistorium zuStockholm neuerdings wieder Muth gefaßt hat die fast entschlafeneFehde mit dem so eben in Norwegen abwesenden apostolischen Vicar wieder aufzunehmen, in der Absicht ihn alles Ernstes mit einerZnjnrienklage vor Gericht zu ziehen, weil er voriges Jahr in sei-ner V rthcidigung das Konsistorium der Intoleranz beschuldigtund die Consistonal-Auslieferung des Konvertiten Nilsson andas Gericht behusS der Landesoerwcisung u. s. w. eineVerfol-gung und Kreuzigung" genannt hat; wobei sich einige staatetirch-liche Blatter, Angesichts dieser Auslieferung und Verurtheilung,nicht entblöden zu behaupten, daß der apostolische Vicar durchdiese Beschuldigung die Ehre der schwedischen Nation angegriffen,und daherjedes ihm erwiesene Wohlwollen und Vertrauen nurmit der tiefsten Betrübniß könne angcsehi n werden." Welche Begriffevon Glaubensfreiheit! Aber freilich ist jrtzt die Illusion über schwe-dische Aufklärung und gerühmte Toleranz in Europa vorüber,und D.iS ist es eben, was die Leute so ingrimmig macht und soschwer vergeben wird. (Kcuhoük.)

Frankreich .

Dem Rhein. Bcob. wi-d aus Paris geschrieben: Ineinem Aufsätze des Rhein . Beobachters Nro. 101 aus Mm(i. April habe ich nicht ohne Bedauern einen meiner Ansicht undErfahrung nach gänzlich einseitigen Angriff auf das Institutder barmherzigen Schwestern gesehen. Wer in den zahl-reichen hiesigen Hospitälern das Wirün, die Aufopferung, diehohe, herrliche, christliche Humanitär dieser Perlen des Katholi-cismus gesehen, ich sage mehr, gefühlt, wer den U«te>schiedkennt zwischen der weiblichen, zarten, aufopfernden Pflege und derrohen Faust männlicher bezahlter Krankenwärter, der kann!

dem Institut der barmherzigen Schwestern (hier -es 5oeurs 6eek-n-its genannt) nur Ehrfurcht zollen. Glücklich jedes Land, jedeStadt, wo diese frommen menschenfreundlichen Frauen ihr Zeltaufschlagen, um die ekelhaftesten Kranken oft mit überirdischer Ent-sagung zu Pflegen. Solche Wunder der Nächstenliebe thut nurder Glaube, und ich würde der Stadt Ulm Glück wünschen,wenn statt einer Glaubensspaltung der neuen Serien daselbstdie barmherzigen Schwestern als Freundinnen und Pflegerinnen derLeidenden Eingang fänden. Da der Rhein . Beob. mehrmals aus-gesprochen, er würde jeder ruhig dargestellten Ansicht seine Spal-ten öffnen, so liegt mir wesentlich daran, nach dem contra auchdas nro in Bezug auf die barmherzigen Schwestern veröffentlichtzu sehen. Gar viele Deutsche, die, nach Frankreich verschlagen,Dienste in der Fremdenlegion nahmen und den langen Marschdurch die sranzösijchcn Provinzen machten, haben persönlich Gele-genheit gehabt, in den Hospitälern (namentlich in dem großartigenInstitut von Beaune in Burgund , Lüte-cl'or) die Pflege derbarmherzigen Schwestern heilsam zu fühlen. Wie vieleProtestanten sind nicht von den barmherzigen Schwesternalso gepflegt worden. Hier in Paris thut dieser herrliche Ordennicht bloß in den Hospitälern einen schweren täglichen, nächtlichenDienst, sondern wo ein Kranker in der Stadt weibliche Pflegeverlangt, da werden ihm die gebenedeiten Schwestern gesandt,welche unentg eidlich den Kranken besuchen, pflegen, seineWnndcn verbinden, selbst Nachtwachen übernehmen. Wer allein,ohne Familie, in Paris lebte und diese herrliche katholische Insti-tution um Hilfe ansprach, wird ihr eine innige, aus der Seeleströmende Dankbarkeit widmen.

China.

Prof. Neu mann in München schreibt in der Allg. Z. überdie von Einigen bestrittene Aussetzung der Kinder in China unteranderm:Die Begleiter der Gesandtschaft des Lord Amherst undandere Engländer, die sich längere Zeit in Kanton aufhielten,namentlich der jetzige englische Konsul und Missionär TradescantLay, glanbten die Chinesen seyen mit Unrecht des Verbrechens desKindercmssctzcns und Kindermordeö beschuldigt worden, weil sienämlich nichts davon gesehen haben. Auch ProfessorNeumann hat während seines Aufenthaltes in China keine Kinderauf den Straßen liegcn und keine Leichname in den Flüssen schwim-men sehen. Er hat aber auch keiner Niederkunft beigewohnt, undkönnte also, aus demselben Grunde, die Geburten wie die Ver-nichtung der Geborenen längnen. Der gewöhnliche Fremde wie dieauswärtigen Gesandten winden ja bis vor Kurzem als Gefangenebehandelt. Was konnten sie von deni Innern des Landes, vonden bejammerungswerthcn Voi fällen innerhalb der Familienkreisevernehmen! Ueberbieß bedenke man, daß die Bevölkerung der Kreis-Hauptstadt Kuangtong durch den starken Handelsverkehr zu einer inden andern Gegenden des Reiches seltenen Wohlhabenheit gelangte,welche sie in den Stand setzt für ihre zahlreichen Angehörigen zusorgen. Müßiggang , Armuth und Verwilderung sind aber betallen Völkern und in allen Zonen die alleinigen Ursachen der Ver-brechen. In dcn übrigen Ländern der Mitte hingegen findet derKindermord, wie uns neuerdings noch Gützlaff als Augenzeugeversichert, statt, und zwar mit schamloser Grausamkeit,l^uins onenkll, I, 491).

Verantwortlicher Redacteur: L. Schönchen.

Verlags-Inhaber : F. C. Krem er.