Ausgabe 
5 (4.5.1845) 18
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Poesie im Hauche des Geistes, der sie bewegte. Sie kam sichselbst als ein Tonwcrkzeug vor, vvn mannichfalligen Leiden kunstreich besaitet, ertönend in süßem Wohllaut. Die tonkundigc Handihres Gottes spielte in den Saiten, mit dem ersten Finger spie-lend die Ergebung in den göttlichen Willen, mit dem zweiten dasLeiden aus Liebe zu Gott, mit dem dritten die vollkommene Ge-duld, mit dem vierten die Gleichförmigkeit mit dem leidendenErlöser am Kreuze, mit dem fünften das Lob Gottes in Nothund Tod, und das Rauschen dieser fünr Tvnanlagen im herrlichenEinklänge machte die lieblichste Musik in den Ohren des himmli-schen Vaters! Als sie einst, von Fiebcrschincrzcn entkräftet, dieLieder der FronleichiiamSprocession erschallen hörte, zuckte eine welt-umfassende Trauciniusik durch ihre Seele. Alle Leiden der Kran-ken, der Betrübten, der Gefangenen, der Sterbenden auf derweiten Crrc, alle Schmerzen der armen Seelen im Fcgfeucr hall-ten in ihre Krankheitsw^hen herein, lautrauschend im unermeß-lichen Chor, klagend »wd singend den liebreichsten Gott, sie fort-r-ißcnd wie ein enlschütielndcs Bliithcnblatt in den Sicgeszugihres Heilandes.

Sie lebte sich wundersam hinein ins Kirchenjahr, und dieganze heilige Schrift des neuen Bundes war in ihrem Geist zweck-mäßig vertheilt auf alle Sonn - und Festtage des Jahres. Allesgestaltete sich in ihr zu den kühnsten Bildern, die nährend, bele-bend, aufweckend an ihrer Seele vorüberzogen. Und aus demschwelgenden Genusse dieser Fcstbilder erwachte sie stets flamme»-svrühcnd in Liebe und Lust zu ihrem Gott. Das Leiden Christi,die süßeste Betrachtung ihrer Seele, wiederholte sich mit crschüttcrndcr Macht an ihrem Leibe, an ihrer Seele, mehr oder minderdas ganze Jahr, besonders an Freilagen, U"d am meisten in derCharwochc. Im Jahre 1662 fiel der 17. März, der TodestagJesu Christi nach ihrer Meinung, auf einen Freitag, da war ihrLeidensschmerz am größten. Das Haupt schwoll ihr unmäßig auf,lief an vielen Stellen roih an, als wollte Blut hervorbrechen,u>d wurde vvn den wühlendstcn Schmerzen durchbohrt. IhrSchmerz schmachtete so krampfhaft zusammengepreßt, daß eine Obn-macht auf die andere folgte, jedes Glied war furchtbar gepeinigtBesonders schmerzhaft und blutroth aufgischwollen zeigten sich dieStellen der Wunden an Hand, Fuß und Brust. Noch größerWar die geistige Noth, die Qual ilrcs Gemüthes, der gänzlichenVerlassenheit. Aber ihre Lcidcnslust stieg zu einer brennendenHeftigkeit, cS zog sie mit Gewalt an die heiligen Wundmahlenihres MottcS, um aus seinem Leibe, aus seiner Seele den giftigenTodcsschmerz zu sauacn, um ihn zu lieben unendlich mit der That,mit den Lcidenokräften maßloser Liebe. Der übermächtige Ein-druck, den ihre Seele aus der KrciizcSschau in sich aufnahm, wirktewunderbare Erscheinungen an ihrem Leibe. An ihrer Brust bil-dete sich eine große M-iude, wie von cimr Lanze, heilte allmäligeins, und überzog sich mit einem zarten Häutchcn, in ihren NierenWuchsen drei Nägel aus dem Stoffe der Nierensteine, und imHerzen eine feste Masse, ähnlich dem Rumpfe eines Menschen,ganz daS, was die Italiener Do:so nennen. Daher rührten diegrimmigen Pcinen, die sie in ihren empfindlichsten Lcbenstheilenausstehen mußte, und erst die zerlegende Untersuchung brachte diese,aus der Betrachtung des Leidens Christi gesogenen Ursachen anden Tag. Eine crstaunungSwürdige Fcincmpsindung an allen Sin-nen stellte sich ein, j.dcr Gcrnch von köstlichen Salben und Stof-fen war ihr lövilich zuwider, sie fiel in ihrem Zlmmcr in Ohn-macht, wenn im Keller dcö Hauses ein starkricchendeS Arzneimittelhinterlegt war. Dadnrch wurde sie eine Macht, wirkend in dieFerne, raumvermittclnv, mit diesem Wcitausfühlen und Tüfhincin-

empfinden alle Anwesenden mit Schauder erfüllend. Der Schmutzder unreinen Sünde macktc sie an dem Sünder, der ihr nach derThat begegnete, ohnmächtig vor tiefcingreifcndcm Schmerz, undals sie einst durch ein Zimmer ging, wo so eben ein derartigesVergehen stattgefunden hatte, fi l sie atsemloö zur Erde, fast er-stickend in den Oünsten der Unreinigkeit, c-st »ach langer Krankheitgenesend vom e> tsetzlichcn Eindrucke dieser Wahrnehmung. Sieselbst duftete dagegen in ganz eigener Lieblichkeit, ihr Zimmer,ihre Kleider, ihren jedesmaligen Standpunct mit Wohlqcrüchendurchdringend, durch das Vorausgehen der Düfte ihr Nahen ver-kündigend. Der Ringfinger war am duftrcichstcn, derber vonfrommen Seelen mit Andacht geküßt, mit dem gehcimnißreichcnVermählunusringe, den ihr Gott nach ihrer Aussage daran ge-steckt, mit Perlen und Edelsteinen in KnuzeSform abbildend dieTodeslciden des Erlösers. Die ehrwürdigsten Zeugen sagten vorden Gerichten zu Novercdo aus, man habe zur Prüfung ihrerAnösage andere Ringe mit großer Gewalt an diejen Finger treibenwollen, aber stets umsonst. Sie waren nicht weiter als bis ansHauplbeugcglied des Fingers zu bringen, dann schwoll der Fingerunmäßig auf, uud gestattete kein Weitcrschicben. Wenn sie ge-wissen Personen in gemessene Näbe kam, so gewahrte sie im tief-innersten Raume ihres Leibes, ihrer Seclenihätigkeit den Gewissens-zustand des Angenäherten, sie brauete dann aus wie siedendesWasser, schaudernd und schaudererregend, cS faßte sie ein wilderSchmerz im Tiefgefühle der versteckten Sünde. DaS begegneteihr vorzüglich im Beichtstühle, das Aufschäumen der empörtenEmpfindung über die Sünde des Beichtvaters sprudelte in heftigeVo würfe über, in Ermahnungen zur Buße, und war der auf-regende Sturm vorüber, so sank sie ohnmächtig zusammen, gebadetin Thränen über ihr Mißgeschick, ihre eigene Sünde beklagend indiesem Heraustreten der Lebenskräfte ans dem Tone einer demüthigBeichtende». Die Beichtväter selbst waren nach ihrem eigenenGeständnisse oft völlig vernichtet über die scharf ins Detail treffendeAindcckm'g ihrer GcwisscnSzuständc, und nicht alle hatten Kraftgenug, diese Feuerprobe zu ihrer Besserung zu benützen. Diesesgotlerregte, alle natürlichen Zustände übersch eilende Auftreten undEingreifen machte sie selbst den meisten Beichtvät r» unverständlich,den Getroffenen tödtlich verhaßt, dem menschliche» Kurzbticke über-haupt gefährlich als eine regellose Macht, den Sicbcnschlaf desJahrhunderts störend. Schamlose Nachrede, bittere Verfolgung,Verstoßung von Freunde» und Verwandle» legten sich wetteiferndan die Wehrlose, um ihre Himmelokraft niederzukämpfen, mit demBiß der Schlange umzüngclnd das kühne, gottanstrebende Wcrb.Ihre Mutter wurde brdauert, eine so unglückselige Närrin zurWelt geboren zu haben, selig gepriesen der Vater, welcher in derGluth heiliger Jcsusliebe unter dem Gebete seiner geliebten Toch-ter 1624 selig im Herrn verschieden, nach dem Urtheile derNnchlosen aller Schande entgangen war, die Giovanna auf seinHaus gehäuft. Sie selbst ohne Trost in Noth und Krankheit,versank oft in den verzagendsten Kleinmuth, irre werdend an ihreneigenen Zustände», den Einwirkungen unheimlicher Gewalten preis-gegeben, an Leib und Seele gebrochen und zerschlagen. Ein ganzeigener Schauder durchrieselt den Leser, wenn er diese Kämpfe liest,dieses Aufbrodeln unsichtbarer Tcufelsgewalt, um eine große heiligeNatur in ihrer schönste», zartesten Lebens- und Himmclsbl >thczu vernichten. Aus ihrer abgetöneten Seele stiegen dann klein-liche Unmuthsgcdankcn auf, eine kindische Reizbarkeit, alle frühemGvltcSgnadcri zweifelhaft und vc.dächtig machend, blaue Flecke,wie von heftigen Schläge», erschienen an ihrem Leibe, sie konnteoft kein Glied regen vor unmäßigem Schmerz, Tage lang lag