Ausgabe 
5 (4.5.1845) 18
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sie athemlos da ohne Speise und Trank, baldigen Tod erwartend.Die unpassenden Zuspräche der Priester, die von ihrem Zustandenichts verstanden, fielen wie glühende Kohlen peinigend in ihrtiefstes Herz, und rührten sich daselbst wie ein unheiml ches Ge-würm. Sie selbst sagt, alles habe in ihr aufgehört in solchenZustan den, Sinnliches. Geistiges, Religiöses, sie sey ihr vorge-kommen wie eine große, weitgcstrcckte Heive ohne Keim und Lant,ohne Licht und Sonne blick; nur die Ergebung in den göttlichenWillen sey stets uncrschüttcrt geblieben, die ei zige Stütze in derunerhörten Angst, die sich auf Seele und Leib gelegt. Durchsolche Prüfung reifte sie zur gebietenden Macht im Vatcrlande,einen neuen Geist zu wecken, und ihn über die Gränzen derTirvleralpen hinauszuverbreitcn für das Heil der katholischen Kirche .Wie dieß geschehen, davon später.

Der Hochwiirdigste Erzbischof von Freivurg überdie mltitirchlichei» Wirren dieser Zeit.

Wir Hermann von Vicari , durch Gottes Erbarmungund des heiligen apostolischen Stuhles Gnade, Erzbischof zu Frei-burg und Metropolit der oberrheinischen Kirchenprovinz :c. ent-bieten sämmtlichen Hochwürdigcn Decanen und ihrer gcsainmtenCapitclgeistlichkeit Unsern freundlichen Gruß, und Segen und Heilvon dem Herrn.

Wir leben in einer Zeit der Auflehnung gegen Alles, wasvon Alters her bestanden. Die umstürzenden St.ebungcn wendensich unter Andcrm auch gcg n unsere heilige Religion. Es istbekannt, welche Angüsse in unsern Tagen auf die Fundamente desChristenthums gemacht worden sind, und noch gemacht werden,namcntlüv, wie emsig Flug- und Tagesl^ätter auf Unglauben,religiösen Leichtsinn und Indiffcrcntismus hinarbeiten, behauptend,daß sie die Interessen der Aufklärung und des zeitgemä-ßen Fortschrittes vertreten. Vornehmlich aber ist cS diekatholische Kirche , welche den umwühlenden Angüssen der Zeit aus-gesetzt ist. Wie anders? Könnte diese große, eng vereinte undaller wühlerischen Tendenz der ewig wechselnden Tagesweisheit un-zugängliche Macht gebrochen weiden, so hätte die Willkür dccMeinung» den Sieg; eine ewige, unwandelbare Wahrhit stündeüberall nicht in der Welt da, und Jeder möchte eS mit seinemGlauben halten, wie eS ihm gefiele. Um daher unsere heiligeKirche, diese Grundfeste der Wahrheit, um ihr Ansehen zu brin-gen, wcrden da und dort die grössten Verleumdungen gegen ihreLehren und Institutionen ausgestreut, und wie > achvrücktich mandiese Veileumdungen auch zurückweise, dieselben werden mit dergleichen Frechheit in derselben oder in eine, andern Gestalt wieder-holt. Manchmal werden anch bloß Nebensachen und Äußendingeangegriffen. Aber je ungewichtigcr diese Angriffe an und für sichsei.st scheine», desto mehr sind sie für jene Menge der Obelfläch-lichen und Unwissenden berechnet, die in ihren Urtheilen über Re-ligion und Kirchenthum keinen a dern Maaßstab haben, als ebendiese Außendinge u»v Nebensachen, und dcuo willkommener sindsie jenen Sündenlüsterncn und Sünvcnbcfleckten, welche in ihrerLüsternheit und Verkommenheit begierig nach Allem greifen, wassie von jenem Glauben befreien zu können scheint, der sie beun-ruhigt und hindert.

Wenn die eben erwähnten Anstrcbungcn gegen positivesChristenthum und katholische Kirche erfolglose BemühungenWären, so könnten Wir, wenn auch betrübt über dieselben, dochUns anderseits freuen, weil sie Uns zeigten, wie wohl unterrichtet,und wie fest in ihrer christkathvlischen Ueberzeugung unsere Gläu-

bigen seyen. Allein jene feindseligen Anstre bringen sind nichtsweniger, als wirkungslos geblieben. Hier und dort sind E nigcbereits vom katholischen Glauben abgefallen; Andere sind nahevenan, das Gleiche zu thun; und wie viele Tausende seyn mögcn,welche in ihrem Herzen unruhig sind, zwcifUn, schwanken, oderwohl s.lbst schon entschieden sich vom positiven und katholischenGlauben abgewendet haben, weiß allein Gott . Ansehnlich istderen Zahl unzweifelhaft, denn der Verführer ist selbst in die nie-deren Classen der Gesellschaft gedrungen. Wir leben in einer be-deutungsvollen Zeit. .

Was UnS aber aus Allem, was vor Unsern Augen vorgeht,klar einleuchten muß, ist ein Zweifaches. Das Erste ist, daßsich vielfach in den mittleren Ul d se bsi in den höheren Ständengroße Mangclhaftigkcit der ch.istlatho.ischcn Erkenntniß, und imGefolge dieser Mangelhaftigkeit vornehme Mißachtung theils despositiven Christenthums, theils der katholischen Kirche zu Tagelegt. Wir erkennen daraus, daß daö, was bisher für christkatho-lifchcn Unterricht und chnstkathvlische Erziehung geschehen ist, viel-fach nicht zureiche, und daß die Zahl derjenigen, welche von jederohrcnkizelnden Oberflächlichkeit fortgciisscn, oder im Verlauf ihresLe/ens sich ihre eigene Religion zusammcn'ctzen, so groß sey, alssie cS wohl bei einem gründlichen Religionsunterricht, und bei einerschon früh gepflegten Einpflanzung der heiligen Wahrheiten in taSHerz unmöglich seyn könnte. Wir erkennen aber eben darum wei-ter, welche Anforcc-ungcn unsere Zeit in Ansehung des Unter-richts und der Erziehung in der katholischen Religion dringend anJeden stelle, welcher von der Kirche eine Seelsorgc empsangen undübernommen hat. Wahrlich, eine Thätigkeit, wie sie vielleichtehedem hinreichen mochte, genügt den Betiufnissen der Gegenwartnicht, und insbesondere die Jugend muß gründlich und vollständigunterrichtet, dann aber (was die Hauptsache ist) in die Liebe ihrerReligion und Kirche eingeweiht werden, wenn sie den Verführun-gen unserer Zeit gewachsen seyn soll. Namentlich hat eine Ueber-zeugung, die nicht auch zugleich im Herzen wurzelt, keine Ge-währ für ihre Treue. Das Andere, was UnS einleuchten muß,ist dieses, daß wir zwar in Zeiten großer Anfeindungen und Ge-fahren leben, daß diese Anseindungcn und Gefahren aber von dergöttlichen Vorsehung in keiner andern Absicht z gelassen s yn kön-nen, als damit der Glaube unter uns an Licht, Lebendigkeit undKraft gewinne. Es müssen Aergernisse seyn, es messen Prüfungenkommen: aber wenn wir sie getreu benutzen, so können sie derWahrheit und Gottseligkeit nur förderlich seyn: die Unwissendenwerden belehrt, die Irrenden zurechtgebracht, die Schwankendenaufgerichtet, und die Gläubigen befestiget werden.

Groß aber, corwürdige B üder! erscheint nun die Aufgabe,welche uns von der Zeit, in der wir leben, oder viel »ehr, welcheuns von Jeius Christus und seiner Kirche in dieser unserer Zeitzugeschicden ist. Der heilige Geist, der Leuer der Kirche Christi,hat diese Trübsale kommen lassen. Was er mit denselben will,ist, daß sie Allen und jedem Einzelnen zu seinem Besten erreichen;aber uns liegt cS ob, seinen Führungen und Gnaden mitzuwirken,und der Sache des Glaubens den nahe gelegten neuenAufschwung zu geben. Wir drücken euch daher, ehrwürdigeBrüder! ein nnbcgränztcs Vertrauen auf cucrn von der Gegen-wart gebieterisch geforderten scelsorglichen Eifer aus, und sind über-zeugt, daß ihr alle euere Kräfte aufbieten weidet, um Irrendezur Wahrheit zu führen, Unw ssende zu belehren, Wankende imGlauben zu befestigen, und überhaupt keine Seele, welche demGlauben erhalten werden kann, verloren gehen zn lassen. Vor-züglich aber eunahnen Wir euch, und geben euch als euere beson-