„ Wer ist jener Heide ? " war der plötzliche , heftige Ruf , der den Lippen des Kriegers entfuhr . Niemals hatte vorher ihr Verwandter sie so schrecklich angeblickt , wie diesmal , da er sie durch seine plötzliche Erscheinung erschreckte . Nicht weil sie ihren Verwandten zum ersten Mal im kriegerischen Harnisch sah , seine große , mächtige Ge¬ stalt zum Theil mit glänzendem Stahl bedeckt und auf dem Kopfe einen federgeschmückten Helm , in welchem er dem Kriegsgotte glich , den Lycidas ihr beschrieben ; nein , das Auge , die Miene , der Ton des Judas waren es , was das Lächeln des Mädchens in einem Augenblick in Verwirrung und Furcht verwandelte . Selbst Antiochus war auf seinem Nichterstuhl der vor ihm zitternden Ge¬ fangenen kaum schrecklicher erschienen , als in diesem Augen¬ blick ihr Verwandter , der gekommen war , um sie zu be¬ grüßen , und der gern gestorben wäre , um sie vor dem Bösen zu schützen . Makkabäus wiederholte seine Frage , bevor Sarah Muth fand , ihm zu antworten . . „ Das ist Lycidas , der Athener, " stammelte sie , „ derselbe , den Du am Märiyrergrabe schontest . Er hat Deine Barmherzigkeit wohl belohnt . Er schützte und unter¬ stützte Hadassah bis zu ihrem Ende und erwies ihrem Leichnam die letzte Ehre , er streckte den Syrer , der meinen Vater erstach , nieder . Lycidas hat den hebräischen Glauben angenommen , er ist gekommen , für diesen Glauben zu kämpfen und , wenn es nöthig ist , zu sterben . " Das Mädchen sprach schnell und mit großer Er¬ regung . Sie wagte nicht wieder , in das Gesicht ihres Verwandten auszublicken , um die Wirkung ihrer Erklärung zu sehen , denn alle falschen Hoffnungen , die sich in Be¬ treff seiner Gleichgiltigkeit gegen sie gemacht , waren wie Wasserblasen bei der Berührung verschwunden . Makkabäus antwortete nicht sogleich . Schweigend führte er Sarah in die Hütte zurück und deutete aus einen Sitz , den Hannah für ihre junge Herrin zurecht¬ gemacht hatte , indem sie einige Kiffen aus der Sänfte genommen und auf dem Boden der Hütte ausgebreitet hatte . Dann entließ er die Dienerin durch eine Be¬ wegung mit der Hand . Das düstere Schweigen wirkte keineswegs beruhigend auf Sarah , welche sich wie ein Verbrecher , der vor seinem Richter steht , fühlte — ob - schon ihr Gewissen hinsichtlich ihres Benehmens gegen Lycidas rein war . — Makkabäus stand vor Sarah , der Schatten seiner hohen Gestalt fiel auf das Mädchen , auf welches er finster herabblickte . „ Sarah, " sagie er endlich , „ es muß ganz klar zwischen uns werden . Du weißt , in welchen Beziehungen wir zu einander stehen ; Du hast mir gesagt , was jener Heide Hadassah und Abner , Deinem Vater gewesen , sage mir nun : was ist er Dir ? " Sarah kämpfte , um ihren Muth wieder zu gewinnen , da sie wußte , wie tief ihre Furcht daS Herz ihres Ver¬ wandten verwundete . Sie wagte auch nicht , direkt auf seine Frage zu antworten . „ Lycidas ist kein Heide, " antwortete sie , „ er ist wie Du ein Diener Gottes , ein wahrer Bekenner , er ist zu allen Vorrechten unseres Volkes zugelassen . " „ Auch zu dem Vorrechte , ein hebräisches Mädchen rum Weibe zu nehmen ? " Sarah erschien der Ton seiner Stimme weniger ernst ; und dankbar , daß er es war , der diesen zarten Punkt berührte , antwortete sie einfach : „ Hadassah würde uns nicht getadelt haben . " Ungeachtet alles dessen , was vorausgegangen war , war Sarah auf die Wirkung ihres Bekenntnisses nicht vorbereitet . Es war weder ein Stöhnen noch ein Schrei , was sie hörte , aber ein Ton , der beiden : glich , ein Ton , den die letzte Wendung der Folter der Brust nicht hätte ab¬ ringen können , wie er ihn jetzt ausstieß . Es war der Ausdruck eines Wehs , wie nur wenige Herzen es zu em¬ pfinden fähig sind , und noch weniger stark genug , es zu ertragen . Keine Todtenklagr und kein Schmerzensruf , den Sarah jemals gehört , traf ihr Herz wie jener Ton . Sie hörte ihn nur einmal , sie hatte ihn nie vorher ge¬ hört , und bevor sie sich von der Erschütterung erholt hatte , die er ihr verursacht , war Judas aus der Hütte verschwunden . Er war wie ein Besessener . So wild waren die Dämone des Hasses und der Eifersucht , daß sie für eine Weile Vernunft und Gewissen vollständig beherrschten . Ein wildes Verlangen , seinen Nebenbuhler zu todten und ihm Glied für Glied vom Leibe zu hauen , war das Einzige , das bei ihm bestimmte Gestalt angenommen hatte . Ein solches Chaos von Leidenschaft hatte diese Nachricht zur Folge . Es war ein Glück für Lycidas , das er da¬ mals nicht den Pfad des Löwen kreuzte . Makkabäus eilte in das tiefste Waldesdunkel ; un¬ willkürlich suchte er den dichtesten Schatten , den die immer grünen Bäume ihm gewähren konnten . Wie sehnte er sich , seine Qual vor den Augen der Menschen zu ver¬ bergen in der dunkelsten Höhle , im tiefsten Grabe ! Das Sonnenlicht war so drückend ! Alles war für ihn verloren , alles für immer dahin ! Woran die Hoffnung sich gehalten , was die Liebe durch lange , lange Jahre des Wartens angehäuft , was dem Tapferen neuen Muth verliehen und dem Müden neue Kraft , Jugend , Glück , der Becher der Freude , bei der Ankunft Sarah ' s bis zum Rande gefüllt , war ihm ohne eines Augenblickes Warnung von den Lippen gerissen und die letzten Tropfen vom durstigen Sand verschluckt . Das Elend eines langen Lebens schien in einige Minuten zusammengedrängt , während welcher der Führer Israels , die Hoffnung Judäas , am Boden lag und in seiner Verzweiflung den Staub aufwühlte . Haß und Eifersucht rasten in ihm und ein noch viel schlimmerer Dämon hatte sich zu ihnen gesellt , einer , dessen Gegenwart mehr als alles Andere die Seele zur Holle machte . Wie brennende Gifttropfen fielen die Ein¬ gebungen des aufrührerischen Unglaubens auf das Ge¬ müth des getäuschten Mannes . Dafür hast Du Deine Hände in Unschuld gewaschen und Deinen Fuß auf dem Wege der Wahrheit gehalten ? Dafür hast Du Gott und dem Vaterlande Deine ganze Kraft geweiht , bist Du vor keiner Arbeit zurückgeschreckt , hast keine Gefahr gefürchtet ? Er , dem Du treu gedient , hat nicht über Deinen Frieden gewacht , noch Deinen Schatz gehütet , den Du seiner Fürsorge anheimgegeben ? Welchen Nutzen hast Du nun von Deinem Gehorsam , welchen Segen von Deiner Hingebung ? Dein Gebet ist Eitelkeit gewesen , Dein Glaube Selbsttäuschung . Augenblicke wie diese sind die schrecklichsten Er¬ fahrungen , die ein Diener Gottes machen kann . Sie ge¬ währen einen Blick in die Tiefen der Schuld und des Elendes , in welches auch das edelste Menschenherz ohne |