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England und Deutschland / von Prof. Dr. v. Schulze-Gaevernitz
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es uns durch alle politischen Widerstände zusammen-genommen gehemmt hat. Wo wäre die deutsche Zucker-industrie, diese frühe Führerin unseres Wirtschaftsaufstiegs,wo die deutsche Textil- und Eisenindustrie, wo der neu-deutsche Kapitalismus überhaupt ohne den reichen, alle-zeit aufnahmefähigen englischen Markt? Auf dem Rückendes freihändlerischen England wagten wir es, nach derPalme der wirtschaftlichen Weltmacht zu greifen. Durchdas Handelsmarkengesetz hat England dasmaäo in Oer-marktgängig gemacht. Wahrlich, wir haben demBriten nichts vorzuwerfen!

Die von England ausgehenden Widerstände zeigten sichvor allem in der Verkümmerung unserer kolonialen An-fänge. Zwar erlaubte uns Gladstone, unsere Hand aufeinige nicht wertlose Teile Afrikas zu legen. Aber jeden-falls hat England die kolonialen Bestrebungen Deutsch-lands zum mindesten nicht ebenso gefördert, wie die derVereinigten Staaten, Japans und Frankreichs . Das be-siegte Frankreich hat seit 1870 ungeheure Eroberungenüber See gemacht. Das siegreiche Deutschland mußte sichmit wenigen Brocken begnügen, obgleich es seiner ganzenwirtschaftlichen Struktur nach Kolonien nötiger braucht alsder kinderarme, rentenverzehrende Nachbar. Sonderbar!und doch vom englischen Standpunkte aus verständlichgenug, da Großbritannien den französischen Mitbewerbernicht mehr fürchtet, Japans bedarf, den VereinigtenStaaten nichts mehr verweigert. Aber diese von England ausgehenden Hemmungen haben zunächst politisch um soweniger gewogen, als Bismarck selbst nur spät und zögerndkolonialen Interessen sich zuwandte. Jedenfalls war aufder Grundlage des britischen Freihandels zu BismarcksZeiten eine offizielle Freundschaft aus der Entfernung dergewöhnliche, unschwer zu erhaltende Zustand.

Aber gerade durch Bismarck wurden Verschiebungenvorbereitet, welche in ihrer weiteren Entwicklung die Lagezuspitzen mußten. Bismarck war Neumerkantilist einJndustriebegründer größten Stils.

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