Ein preußischer Junker sagte 1879 bei Beratung desZolltarifs, die einzuführenden Getreidezölle seien derLandwirtschaft kein genügender Ersatz für die Erhöhungder Jndustriezölle. Dieser Satz ist in tieferem Sinne wahr,als sein Urheber selbst wohl gedacht hat — dann wenigstenswahr, wenn wir unter Landwirtschaft das ostelbische Ritter-gut verstehen. Denn für dieses war der Nutzen der Ge-treidezölle nur ein vorübergehender, während, wiev. d. Goltz und Schäffle hervorheben, die tiefste Ursacheseiner Krisis von den Mitteln des Zollschutzes nicht be-rührt wurde. Anders die Jndustriezölle.
Zwar hat die deutsche Industrie die Gunst der inner-politischen Lage seit 1878 weniger ausgenutzt als dieAgrarier. Der Zolltarif von 1879 war im Vergleich mitden Nachbarstaaten kein übermäßig protektionistischer.Trotzdem haben die Jndustriezölle jene Entwicklung zwarnicht bewirkt, wohl aber beschleunigt, welche den Charakterdes westlichen Deutschland dauernd umgestaltete. InBismarcks nationaler Wirtschaftspolitik wurzelten dieKartelle der schweren Industrie — großkapitalistische Zu-sammeuballungen, welche sich Englands individuellemKapitalismus zuerst ebenbürtig zur Seite stellten, um so-dann amerikanischen Dimensionen entgegenzuwachseu. Seitjenen Tagen verschob sich Deutschlands volkswirtschaftlicherSchwerpunkt auf Industrie, Handel, Schiffahrt und Bank-wesen. Seitdem stauen sich die früher auswandernden Be-völkerungsüberschüsse in Rheinland, Westfalen und dennorddeutschen Großstädten, in dem ganzen mittleren undwestlichen Deutschland . Zu Beginn des zwanzigsten Jahr-hunderts ist die industrielle Durchtränkungdes ganzen w e st el bischen Deutschland fürunser nationales Dasein die wichtigste Tatsache ge-worden.
Auch die Landwirtschaft hat au dieser Industrialisierung,nicht zu ihrem Schaden, teilgenommen. Noch I. v. Liebigklagte, daß England die Knochensubstauz des Kontinentsals Dungstoff ausführe. „Großbritannien raubt allen