Für Frieden und Verständigung ist es von Wichtigkeit,daß England den deutschen Flottenbau als unabwendbareTatsache hinnimmt. In dieser Hinsicht sind gewisse, inEngland noch weitverbreitete Jrrmeinungen abzuweisen.
Der deutsche Flottenbau ist nicht das Werk einesMannes. Zwar war es das Verdienst des KaisersWilhelm II. , den Flottengedanken in das deutsche Volkgeworfen zu haben. Aber heute wird die Flotte nichtnur vom Kaiser, sondern von der Nation gebaut. Derdeutsche Flottenverein zählt über eiue Million Mitgliederer zählt sie auf der Rechten wie auf der Linken. Aufder Rechten schlug der Flottengedanke Wurzel trotz desentgegenstehenden Ideals eines sich selbst versorgenden,beschränkt europäischen Agrarstaates. Auf der Linken starbdas Manchestertum, welches den Kampf der Völker alleinmit dem „Preiskurant" entscheiden zu können hoffte.Leider besaß das deutsche Manchestertum niemals denweltumspannenden Hintergrund eines Manchester . Diedeutschen Manchesterleute waren, selbst in ihrer besten Zeit,kleinbürgerlichen Kalibers. Wenn jetzt in England dasManchestertum veraltet ist, so berühren seine Reste inDeutschland wie Petrefakte.
Noch lebt ein Stück Manchestertum in der Sozial-demokratie, wie überhaupt auf ihrem Boden klcinbourgeoiseGedankenreihen das Dasein fristen. Noch lehnt die Masseder deutschen Arbeiter die maritime Machtentfaltung ab.Aber früher oder später muß gerade für Gewerkschaftlerder Satz sonnenklar werden, daß ein ehrlicher Friedens-zustand waffengerüstete Mächte voraussetzt, die sich gegen-seitig achten, weil fürchten. Macht doch der Gewerkschaftlertagtäglich die Erfahrung, daß Verträge zwischen Schwachenund Starken zur berüchtigten „Löwengesellschaft" aus-arten, in welcher der einen Seite aller Vorteil, der anderenaller Nachteil zufällt. Aber noch folgen die breiten Wähler-massen der sozialdemokratischen Partei keineswegs gewerk-schaftlichen Gedankengängen. Wie sie im Innern nur erstteilweise der zähen Kleinarbeit vertrauen, sondern das
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