der britische Freihandel zu Vergeltungszöllen greift oderin Schutzzoll umschlägt, wie denn das neueste Patentgesetzeiner liberalen Regierung durchaus schutzzölluerischemGeiste entsprungen ist. Bei Handelsverträgen würdenwir einem schutzzöllnerischen England ungewohnte Opferbringen müssen. Aber bei dem ungeheuren Umfang derbeiderseits in Betracht kommenden Interessen wäre ein be-friedigendes Vertragsergebnis möglich und wünschenswert.Nur blinde Unvernunft könnte Handelsumsätze gefährden,welche, wie die zwischen Deutschland und dem britischenReiche, beiderseits eine Milliarde Mark weit übersteigen.
Ein sich auf seine Kolonien zurückziehendes England schüfe uns Ellbogenraum in der übrigen Welt: es ver-teuerte doch wohl die Lebenshaltung des britischen Arbeitersund entfernte sich handelspolitisch von den nichtbritischenRohstoffgebieten. Was wir auf dem Gebiet des britischenReiches verlören, müßten wir in Rußland, in Südamerika ,im Orient und in Ostasien einzubringen suchen. Schonhaben wir auf manchem dieser Märkte den Vorsprung. UmEngland auf neutralen Gebieten zu überflügeln, dürfenwir freilich nicht uns selbst hochschutzzöllnerisch ein-kapseln. Vielmehr weist Chamberlain uns auf den ent-gegengesetzten Weg als den, welchen er auf Grund riesigenKolonialbesitzes seinen Landsleuten predigt.
Anderen Schutzzollgebieten gegenüber besäße ein maß-voll schutzzöllnerisches England eine heilsame Retorsions-kraft. Es könnte vielleicht, einflußreicher als bisher, auchzu unsern Gunsten in der Richtung internationalen Zoll-abbaues wirksam werden.
Aber wie immer seine Handelspolitik sich in Zukunftgestalte, jedenfalls hat Großbritannien — nichtminder als Deutschland — ein dringliches Interesse aneiner befriedigenden Gestaltung unserer gegenseitigen Wirt-schaftsbeziehungen. Zweierlei kommt hierfür in Betracht.Noch ist Deutschland einer der wichtigsten Märkte desbritischen Industriestaates — ein Markt, der an Auf-nahmefähigkeit selbst von dem indischen Kaiserreich nicht
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