6
Schwierigkeiten zu bereiten. Während beispielsweise der Verfasser von „J’accuse“sein Werk in der ganzen Welt verbreitete, hat der Fürst die grössten Anstrengungengemacht, um nachträglich die gegen seinen Willen erfolgte Verbreitung zu verhindern.Man kann also wirklich nicht sagen, dass er sich zum Werkzeug feindlicher Pro-paganda machte. Mit dieser Feststellung ist nicht nur die Haltlosigkeit jener An-griffe erwiesen, die sich auf den juristischen Boden stellen, sondern vor allemauch jene Vorwürfe, die den dokumentarischen Wert der Denkschrift abzuschwächensuchen, indem sie in ihr nur eine ihrer zahllosen und kurzlebigen Anklagbücher,wie sie in allen Ländern entstanden sind, sehen wollen.
Ebenso ungerecht und unrichtig sind aber auch die Vorwürfe, denen zufolgedie Denkschrift ein Vertrauensmissbrauch wäre, weil sie sträfliche Enthüllungenbringt. Wäre dieser Vorwurf zutreffend, so würde er natürlich den Feinden desFürsten noch erwünschtere Unterlagen für ihre Kampagne geben als die Anschuldigung,es handle sich um ein neues J’accuse. Ein Blick in die Denkschrift lehrt aber,dass der Fürst keineswegs irgendwelche unbekannten und geheimen Dokumentean den Tag gefördert hat, wozu er ja auch gar nicht in der Lage war. Eine derberechtigtsten Anklagen, die er seiner Regierung ins Gesicht schleudert, gipfelt jatatsächlich auch in der Feststellung, dass sie ihn systematisch in Unkenntnis überdie wichtigsten politischen Vorgänge gelassen habe, dass er beispielsweise alsBotschafter in London lange nichts von dem englisch -französischen Geheimabkommenwusste, obgleich es in Berlin bekannt war. Ausserdem betont er ja selbst in seinemBrief an den Reichskanzler, dass er seine Aufzeichnungen ohne irgend ein ein-schlägiges Aktenmaterial aus dem Gedächtnis niedergeschrieben habe und dass ervor allem die Absicht verfolgte, seine Politik zu rechtfertigen.
Es wäre in der Tat den Führern der Lichnowskyhetze schwer, in der Denk-schrift irgendwelche dokumentarischen Enthüllungen zu finden, wie sie beispiels-weise die belgischen Diplomatenberichte, die in Brüssel aufgefunden wurden, derSuchomlinowprozess, die von der maximalistischen Regierung veröffentlichtenGeheimverträge der Entente und auch das von Minister Pichon verlesene TelegrammBethmann Hollwegs an von Schön bieten. Für den Historiker ist das bedauerlich,ebenso bedauerlich für die Feinde des Fürsten . Welcher Freudenrausch hättesich aller Ueberpatrioten bemächtigt, wenn sie dem Fürsten hätten nach-weisen können, er habe diplomatische Berichte veröffentlicht, die Deutschland sodeutlich des Kriegswillens beschuldigen, wie die belgischen Berichte die Entente,er habe aktenmässige Mitteilungen über die militärischen Vorbereitungen Deutsch-lands gemacht in der Art der Aussagen des Suchomlinowprozesses, der be-kannten Enthüllungen über die russische allgemeine Mobilmachung und ihreverhängnisvolle Rolle für den Ausbruch des Krieges! Welch Jubel auch im Lager alljener Kreise, die durchaus eine Verurteilung des Fürsten herbeiführen wollen, wenner ein Telegramm in der Art der Instruktion des Reichskanzlers an von Schönmitgeteilt hätte. Die Ententediplomatie konnte mit Recht der russischen maxima-listischen Regierung vorwerfen, dass sie durch Veröffentlichung der Geheimverträgedie englisch-französisch-italienischen Annexionspläne enthüllt, damit der Thesevom Verteidigungscharakter des Ententeskrieges Abbruch getan und die Entente-interessen auf das Schwerste geschädigt hatten. Und wir wissen ja auch, dass dieseunzeitgemässen Enthüllungen von entscheidendem Einfluss auf den Friedens-willen des russischen Volkes waren. Nichts von alledem aber kann dem Fürsten