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Die Denkschrift des Fürsten Lichnowsky : [der vollständige Wortlaut] ; meine Londoner Mission 1912 - 14, von Fürst Lichnowsky, ehemaliger deutscher Botschafter in London ; [zur Vorgeschichte des Krieges] / hrsg. von einer Gruppe von Friedensfreunden
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Edward und sein grosser Einfluss in Petersburg wurden auf ähnliche Weise wieder-holt benutzt, wenn es galt, dort etwas durchzusetzen, da unsere Vertretung sichhierzu als völlig ungeeignet erwies.

ln den kritischen Tagen des Juli 1914 sagte mir Sir Edward:Wenn Sie etwasin Petersburg erreichen wollen, wenden Sie sich regelmässig an mich, wenn ichaber einmal Ihren Einfluss in Wien anrufe, so versagen Sie mir Ihre Unterstützung.

Deutsch -englischer Kolonial-Imperialismus.

Die guten und vertrauensvollen Beziehungen, die es mir gelang, nicht nur inder Gesellschaft und mit den einflussreichsten Persönlichkeiten, wie Sir Ed. Grey und Mr. Asquith, sondern auch bei public dinners (bei öffentlichen Diners) mit derOeffentlichkeit anzuknüpfen, hatten eine merkliche Besserung unseres Verhältnisseszu England herbeigeführt. Sir Edward war aufrichtig bemüht, diese Annäherungweiter zu befestigen, und seine Absichten traten besonders in zwei Fragen hervor:dem Kolonial- und dem Bagdadvertrag.

Im Jahre 1898 war zwischen dem Grafen Hatzfeld und Herrn Balfour ein ge-heimes Abkommen unterzeichnet worden, das die portugiesischen Kolonien in Afrika in wirtschaftspolitische Interessensphären zwischen uns und England teilte. Da dieportugiesische Regierung weder die Macht noch die Mittel besass, ihren ausge-dehnten Besitz zu erschliessen oder sachgemäss zu verwalten, hatte sie sich früherbereits mit dem Gedanken getragen, ihn zu veräussern und ihre Finanzen dadurchzu sanieren. Eine Einigung zwischen uns und England war zustande gekommen,welche die beiderseitigen Interessen begrenzte, und die um so grösseren Wertbesass, als Portugal sich bekanntlich in völliger Abhängigkeit von England befindet.

Englands Kolonialpolltik steht im Widerspruch zum englisch -portugiesischen

Bündnis.

Dieser Vertrag sollte wohl äusserlich die Unversehrtheit und Unabhängigkeitdes portugiesischen Reiches sichern, und er sprach nur die Absicht aus, den Por-tugiesen finanziell und wirtschaftlich behilflich zu sein. Er stand daher demWortlaut nach nicht im Widerspruch zu dem alten englisch -portugiesischen Bündnisaus dem 15. Jahrhundert, das zuletzt unter Karl 11. erneuert wurde und den gegen-seitigen Besitzstand verbürgte.

Trotzdem war auf Bestreben des Marquis Soveral, der vermutlich über diedeutsch -englischen Abmachungen nicht in Unkenntnis blieb, ein neuer Vertrag,der sogenannte Windsorvertrag, im Jahre 1899 zwischen England und Portugal geschlossen worden, welcher die alten, niemals ausser Kraft gesetzten Vereinba-rungen bestätigte.

Ein Erfolg Lichnowskys: Deutschland darf sich an der Aufteilung derportugiesischen Kolonien beteiligen.

Die Unterhandlungen zwischen uns und England , die bereits vor meiner An-kunft begonnen hatten, bezweckten, unseren Vertrag von 1898, der auch hinsichtlichder geographischen Abgrenzung manche Unzuträglichkeiten aufwies, umzugestaltenund zu verbessern. Dank der entgegenkommenden Haltung der britischen Regierunggelang es mir, dem neuen Vertrag eine unseren Wünschen und Interessen durchausentsprechende Form zu geben. Ganz Angola bis an den 20. Längengrad wurde unszugesprochen, so dass wir an das Kongogebiet von Süden gelangten, ausserdem nochdie wertvollen Inseln San Thome und Principe, die nördlich des Aequators liegen