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Die Denkschrift des Fürsten Lichnowsky : [der vollständige Wortlaut] ; meine Londoner Mission 1912 - 14, von Fürst Lichnowsky, ehemaliger deutscher Botschafter in London ; [zur Vorgeschichte des Krieges] / hrsg. von einer Gruppe von Friedensfreunden
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und dadurch eigentlich dem französischen Interessengebiet zufielen, eine Tatsache,die meinen französischen Kollegen zu lebhaften, wenn auch vergeblichen Gegenvor-stellungen veranlasste.

Ferner erhielten wir den nördlichen Teil von Mosambik, - der Lincango bildetedie Grenze.

England will die deutsche Politik von Europa ablenken.

Unseren Interessen und Wünschen wurde seitens der britischen Regierung dasgrösste Entgegenkommen gezeigt. Sir Ed. Grey beabsichtigte, uns seinen gutenWillen zu bekunden, er wünschte aber auch unsere koloniale Entwicklung überhauptzu fördern, da England die deutsche Kraftentfaltung von der Nordsee und von West-europa nach dem Weltmeer und Afrika abzulenken hoffte. ,We dont want togrudge Germany her colonial development (wir wollen Deutschland seine kolonialeEntwickelung nicht missgönnen), sagte mir ein Mitglied des Kabinetts.

England möchte belgisches Kolonialgebiet in ähnlicherWeise wie portugiesischesaufteilen. Deutschland lehnt mit Rücksicht auf Belgien ab.

Der Kongostaat sollte auf britische Anregung urspiinglich auch in den Vertrageinbezogen werden, was uns ein Vorkaufsrecht und die Möglichkeit gegeben hätte,ihn wirtschaftlich zu durchdringeu. Angeblich mit Rücksicht auf belgische Empfind-lichkeiten lehnten wir aber dieses Angebot ab! Vielleicht sollte mit Erfolgen gespartwerden ?

Portugal völlig von England abhängig: Wenn Deutschland seine Beziehungenzu England pflegt, kann es eine tatsächliche Teilung der portugiesischen

Kolonien erreichen.

Auch hinsichtlich der praktischen Verwirklichung des eigentlichen unausge-sprochenen Zweckes des Vertrages, der späteren tatsächlichen Teilung des portu-giesischen Kolonialbesitzes, bot die neue Fassung wesentliche Vorteile und Fortschrittegegen die alte. Es waren nämlich Fälle vorgesehen, die es uns ermöglichten, zurWahrung unserer Interessen auf den uns zugewiesenen Gebieten einzuschreiten. DieseVoraussetzungen wurden so weit gefasst, dass es eigentlich uns überlassen blieb,selbst zu bestimmen, wennvitale Interessen Vorlagen, so dass es bei der völligenAbhängigkeit Portugals von England nur darauf ankam, die Beziehungen zu England weiter zu pflegen, um mit englischer Zustimmung unsere beiderseitigen Absichtenspäter zu verwirklichen.

Die Aufrichtigkeit der britischen Regierung in ihrem Bestreben, unsere Rechtezu achten, zeigte sich darin, dass Sir Ed. Grey , noch ehe der Vertrag fertiggestelltoder unterzeichnet war, englische Unternehmer, die in den uns durch den neuenVertrag zugewiesenen Gebieten Kapitalanlagen suchten und dafür die britischeUnterstützung wünschten, an uns verwies mit dem Bemerken, dass das betreffendeUnternehmen in unsere Interressensphäre gehöre.

Der Vertrag war schon zurZeit des Königsbesuches in Berlin , also im Mai 1913,im wesentlichen fertig, ln Berlin fand damals unter dem Vorsitz des Herrn Reichs-kanzlers eine Besprechung statt, an der auch ich teilnahm und bei der nocheinzelne Wünsche festgelegt wurden. Bei meiner Rückkehr nach London gelang esmir mit Hilfe des Botschaftsrats Herrn von Kühlmann, der mit Mr. Parker dieEinzelheiten des Vertrages bearbeitete, auch unsere letzten Vorschläge durchzusetzen,