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er befinde sich in Verlegenheit und wisse nicht, wie sich zu verhalten. Der gegen-wärtige Zustand sei unerträglich, da er, Mr. Harcourt, unsere Rechte berücksich-tigen wolle, andererseits aber im Zweifel sei, ob er sich nach dem alten Vertrageoder dem neuen zu richten habe. Es sei daher dringend erwünscht, Klarheit zuschaffen und die Sache, die sich nun schon so lange hinziehe, zum Abschluss zu bringen.
Auf einen diesbezüglichen Bericht erhielt ich einen sehr wenig höflichen, aberumso erregteren Erlass, demzufolge ich mich jeder weitern Einmischung in derSache zu enthalten hätte.
Ich bedaure es heute, dass ich daraufhin nicht nach Berlin gefahren bin, umdem Monarchen meinen Posten zur Verfügung zu stellen, und dass ich immer nochden Glauben an die Möglichkeit einer Verständigung zwischen mir und den leitendenPersönlichkeiten nicht verloren hatte, ein verhängnisvoller Irrtum, der sich wenigeMonate später in so tragischer Weise rächen sollte!
Einen Monat vor Kriegsausbruch nimmt Deutschland aber die englischenVorschläge betr. Portugal an.
So wenig ich auch damals das Wohlwollen des obersten Reichsbeamten nochbesass, da er fürchtete ich strebe nach seinem Posten, so muss ich ihm die Ge-rechtigkeit widerfahren lassen, dass er bei unserer letzten Unterredung vor Kriegs-ausbruch, Ende Juni 1914, auf die ich später noch zurückkomme, seine Zustimmungzur Unterschrift und Veröffentlichung erteilte. Trotzdem bedurfte es wiederholterAnregungen meinerseits, die von Herrn Dr. Solf in Berlin unterstützt wurden, umendlich Juli 1914 die Genehmigung zu erwirken. Da aber die serbische Krisisdamals schon den Frieden Europas bedrohte, musste die Vollziehung des Vertragesverschoben werden. Auch er gehört zu den Opfern dieses Krieges.
Der Bagdadvertrag.
Gleichzeitig unterhandelte ich in London , dabei wirksam unterstützt durch Herrnvon Kühlmann, über den sog. Bagdadvertrag. Dieser bezweckte tatsächlich dieEinteilung Kleinasiens in Interessensphären, obwohl dieser Ausdruck mit Rücksichtauf die Rechte des Sultans ängstlich vermieden wurde. Sir Ed. Grey erklärte auchwiederholt, dass keine Abmachungen mit Frankreich und Russland beständen, diedie Aufteilung Kleinasiens bezweckten.
Unter Zuziehung eines türkischen Vertreters, als welcher Hakki Pascha erschien,wurden alle wirtschaftlichen Fragen, die mit den deutschen Unternehmungen inVerbindung standen, im wesentlichen den Wünschen der deutschen Bank entspre-chend geregelt. Das wichtigste Zugeständnis, das Sir Ed. Grey mir persönlichgemacht hatte, war die Verlängerung der Bahnstrecke bis Basra . Dieser Standpunktwar nämlich unserseits aufgegeben worden zu Gunsten des Anschlusses nachAlexandrette; Bagdad bildete bisher den Endpunkt der Bahn. Für die Schiffahrtauf dem Schatt-el-Arab sollte eine internationale Kommission sorgen. Auch anden Hafenbauten in Basra wurden wir beteiligt und erhielten ferner Rechte ander Tigrisschiffahrt, die bisher ein Metropol des Hauses Lynch war.
Durch diesen Vertrag wurde ganz Mesopotamien bis Basra unser Interessen-gebiet, unbeschadet älterer britischer Rechte an der Tigrisschiffahrt und den Wilcox-Bewässerungsanlagen, ferner das ganze Gebiet der Bagdad- und AnatolischenEisenbahn .
Als britischer Wirtschaftsbereich galten die Küsten des Persischen Busensund die Smyrna-Aidin Bahn, als französischer Syrien, als russischer Armenien .