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Würden beide Verträge vollzogen und veröffentlicht, so war damit eine Verständigungmit England erreicht, die allen Zweifeln an der Möglichkeit einer „anglo-germanCooperation“ (eines englisch-deutschen Zusammenwirkens) für immer ein Ende machte.
England empfindet die deutsche Flottenpolitik als Unbequemlichkeit, aus
finanziellen Gründen.
Die heikelste aller Fragen war und blieb die Flottenfrage. Sie wird nichtimmer ganz richtig beurteilt.
Die Schaffung einer mächtigen Flotte am andern Ufer der Nordsee , die gleich-zeitige Entwicklung der bedeutendsten Militärmacht des Festlandes zur bedeutendstenSeemacht desselben musste in England zum mindesten als Unbequemlichkeit em-pfunden werden. Hierüber kann billigerweise kein Zweifel bestehen. Um dennötigen Vorsprung zu behalten und nicht in Abhängigkeit zu geraten und dieHerrschaft der Meere zu sichern, die Britannien benötigt, um nicht zu verhungern,musste es zu Rüstungen und Ausgaben schreiten, die schwer auf dem Steuerzahlerlasteten. Eine Bedrohung der britischen Weltstellung ergab sich jedoch, wennunsere Politik die Möglichkeit kriegerischer Entwickelungen gewärtigen Hess. DieseVoraussetzung war bei den Marokkokrisen und der bosnischen Frage in sichtbareNähe getreten.
Mit unserer Flotte nach den bestehenden Festlegungen hatte man sich abge-funden, sie war den Briten gewiss nicht willkommen und bildete einen der Gründe,aber nicht den einzigen und vielleicht auch nicht den wichtigsten, für den AnschlussEnglands an Frankreich und Russland; aber wegen der Flotte allein hätte England ebensowenig zum Schwerte gegriffen, wie etwa wegen unseres Handels, der an-geblich den Neid und schliesslich den Krieg gezeitigt hat.
Ich vertrat von Anfang an den Standpunkt, dass es trotz der Flotte möglichsei, zu freundschaftlicher Verständigung und Annäherung zu gelangen, wenn wirkeine Novelle brächten und eine zweifelsfreie Friedenspolitik trieben. Auch vermiedich es, von der Flotte zu sprechen, und zwischen mir und Sir Ed. Grey ist dasWort überhaupt nicht gefallen. Sir Ed. Grey erklärte gelegentlich einer Kabinetts-sitzung: „The present German Ambassador has never mentioned the fleet to me“(der gegenwärtige deutsche Botschafter hat vor mir nie die Flotte erwähnt).
Während meiner Amtszeit regte bekanntlich Mr. Churchill , der damalige ersteLord der Admiralität, den sogenannten „naval holiday“ (Flottenfeiertag) an undschlug aus finanziellen Gründen und wohl auch um der pazifistischen Richtung inseiner Partei entgegen zu kommen, eine einjährige Rüstungspause vor. Amtlichvon Sir Ed. Grey wurde der Vorschlag nicht unterstützt, zu mir hat er nie davongesprochen, Mr. Churchill redete mich wiederholt darauf an.
Ich bin überzeugt, dass seine Anregung aufrichtig gemeint war, wie überhauptWinkelzügigkeit nicht im Wesen des Engländers liegt. Es wäre für Mr. Churchillein grosser Erfolg gewesen, dem Lande mit Ersparnissen aufzuwarten und denRüstungsalp, der auf dem Volke lastete, erleichtern zu können.
Ich entgegnete, es würde uns aus technischen Gründen schwer werden, aufseinen Gedanken einzugehen. Was sollte aus den Arbeitern werden, die für dieseZwecke geworben seien, was aus dem technischen Personal? Unser Flottenprogrammsei einmal festgelegt und daran Hesse sich schwer etwas ändern. Wir beabsichtigtenes andererseits auch nicht zu überschreiten Er kam aber wieder darauf zurückund machte geltend, dass die für ungeheure Rüstungen aufgewendeten Mittel auch