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Die Denkschrift des Fürsten Lichnowsky : [der vollständige Wortlaut] ; meine Londoner Mission 1912 - 14, von Fürst Lichnowsky, ehemaliger deutscher Botschafter in London ; [zur Vorgeschichte des Krieges] / hrsg. von einer Gruppe von Friedensfreunden
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besser für andere, nutzbringende Zwecke Verwendung fänden. Ich entgegnete,dass auch diese Ausgaben der heimischen Industrie zugute kämen.

Es gelang mir auch durch Unterredungen mit Sir W. Tyrell, dem Kabinetts-chef Sir Edwards, die Frage von der Tagesordnung abzusetzen, ohne zu verstimmen,obwohl sie im Parlamente wiederkehrte, und zu verhindern, das ein amtlicher Vor-schlag erging. Es war aber ein Lieblingsgedanke Mr. Churchills und der Regierung,und ich glaube, dass wir durch Eingehen auf seine Anregung sowie auf die Formel16: 10 für Grosskampfschiffe einen greifbaren Beweis unseres guten Willens gebenund die bei der Regierung vorherrschende Tendenz, mit uns in nähere Fühlungzu kommen, wesentlich befestigen und fördern könnten.

Aber, wie gesagt, es war möglich, trotz der Flotte und auch ohnenaval holidayzu einer Verständigung zu gelangen. In diesem Sinne hatte ich meine Mission vonAnfang aufgefasst, und es war mir auch gelungen, mein Programm zu verwirklichen,als der Ausbruch des Krieges alles Erreichte vernichtete.

Lichnowsky wirkt für die deutsch -englischen Handelsbeziehungen.

Public dinners.

Der Handelsneid, von dem bei uns soviel die Rede ist, beruht auf unrichtigerBeurteilung der Verhältnisse. Gewiss bedrohte das Emporkommen Deutschlands als Handelsmacht nach dem siebziger Kriege und in den folgenden Dezennien die In-teressen der britischen Handelskreise, die mit ihrer Industrie und mit ihren Export-häusern eine Art Monopolstellung besassen. Der zunehmende Warenaustausch mitDeutschland aber, das an der Spitze aller britischen Exportländer in Europa stand,eine Tatsache, auf die ich in meinen öffentlichen Reden immer hinwies, hatte denWunsch, mit dem besten Kunden und Geschäftsfreund in guten Beziehungen zubleiben, gezeitigt und alle anderen Erwägungen allmählich zurückgedrängt.

Der Brite istmatter of fact, er findet sich mit Tatsachen ab und kämpft nichtgegen Windmühlen . Gerade in den kaufmännischen Kreisen fand ich das lebhaftesteEntgegenkommen und das Bestreben, die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessenzu fördern. Tatsächlich interessierte sich niemand dort für den russischen, italieni-schen, österreichischen, ja nicht einmal für den französischen Vertreter, trotz seinerbedeutenden Persönlichkeit und seiner politischen Erfolge. Nur der deutsche undamerikanische Botschafter erregten die öffentliche Aufmerksamkeit.

Ich habe, um mit den wichtigen Handelskreisen Fühlung zu bekommen, denEinladungen, der vereinigten Handelskammern sowie der Londoner und BradforderKammer entsprochen und war Gast der Städte Newcastle und Liverpool. Ueberallwar ich der Gegenstand herzlicher Huldigungen. Manchester, Glasgow und Edin-burg hatten mich gleichfalls geladen, und ich wollte später dorthin gehen.

Es wurde mir von Leuten, die britische Verhältnisse nicht kennen und die Be-deutung derpublic dinners nicht würdigen, und auch von solchen, denen meineErfolge unerwünscht waren, der Vorwurf gemacht, ich habe durch meine Redengeschadet. Ich glaube vielmehr, dass mein öffentliches Auftreten und die Betonunggemeinsamer wirtschaftlicher Interessen nicht unwesentlich zür Besserung der Be-ziehungen beigetragen hat, abgesehen davon, dass es ungeschickt und unhöflichgewesen wäre, alle Einladungen abzulehnen.

Auch in allen anderen Kreisen habe ich die liebenswürdigste Aufnahme undein warmes Entgegenkommen gefunden, bei Hof wie in der Gesellschaft und beider Regierung.