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Es handelte sich auch um handelspolitische Schwierigkeiten. Dass General vonMoltke zum Kriege drängte, wurde mir natürlich nicht gesagt. Ich erfuhr aber,dass Herr von Tschirschky einen Verweis erhalten, weil er berichtete, er habe inWien Serbien gegenüber zur Mässigung geraten.
Auf meiner Rückreise aus Schlesien auf dem Wege nach London hielt ich michnur wenige Stunden in Berlin auf und hörte, dass Oesterreich beabsichtige, gegenSerbien vorzugehen, um unhaltbaren Zuständen ein Ende zu machen.
Lichnowsky bedauert, dass er nicht seine Demission gab.
Leider unterschätzte ich in diesem Augenblick die Tragweite der Nachricht.Ich glaubte, es würde doch wieder nichts daraus werden und, falls Russland drohte,leicht beizulegen sein. Heute bereue ich, nicht in Berlin geblieben zu sein undsogleich erklärt zu haben, dass ich eine derartige Politik nicht mitmache.
Nachträglich erfuhr ich, dass bei der entscheidenden Besprechung in Potsdam am 5. Juli die Wiener Anfrage die unbedingte Zustimmung aller massgebendenPersönlichkeiten fand, und zwar mit dem Zusatze, es werde auch nichts schaden,wenn daraus ein Krieg mit Russland entstehen sollte. So heisst es wenigstens imösterreichischen Protokoll, das Graf Mensdorff in London erhielt. Bald darauf warHerr von Jagow in Wien , um mit Graf Berchtold alles zu besprechen.
Dann bekam ich die Weisung, darauf hinzuwirken, dass die englische Presseeine freundliche Haltung einnehme, wenn Oesterreich der grosserbischen Bewegungden „Todesstoss“ versetze, und durch meinen Einfluss möglichst zu verhindern,dass die öffentliche Meinung gegen Oesterreich Stellung nähme. Die Erinnerungenan die Haltung Englands während der Annexionskrise, wo die öffentliche Meinungfür die serbischen Rechte auf Bosnien Sympathie zeigte, sowie auch an die wohl-wollende Förderung nationaler Bewegungen zur Zeit Lord Bryons und Garibaldis ,dieses und anderes sprach so sehr gegen die Wahrscheinlichkeit einer Unterstüt-zung der geplanten Strafexpedition gegen die Fürstenmörder, dass ich mich veran-lasst sah, dringend zu warnen. Ich warnte aber auch vor dem ganzen Projekt, dasich als abenteuerlich und gefährlich bezeichnete und riet den Oesterreichern Mäs-sigung anzuempfehlen, da ich nicht an Lokalisierung des Konfliktes glaubte.
Ansichten des Herrn von Jagow und des Grafen Pourtales.
Herr von Jagow antwortete mir, Russland sei nicht bereit, etwas Gepolterwürde es wohl geben, aber je fester wir zu Oesterreich ständen, um so mehrwürde Russland zurückweichen. Oesterreich beschuldigte uns schon so der Flau-macherei und so dürften wir nicht kneifen. Die Stimmung in Russland würde an-derseits immer deutschfeindlicher, und da müssten wir es eben riskieren.
Angesichts dieser Haltung, die, wie ich später erfuhr, auf Berichten des GrafenPourtalfes fusste, dass Russland unter keinen Umständen sich rühren werde, unddie uns veranlassten, den Grafen Berchtold zu möglichster Energie anzufeuern,erhoffte ich die Rettung von einer englischen Vermittlung, da ich wusste, dass SirEd. Greys Einfluss in Petersburg im Sinne des Friedens zfl verwerten war. Ichbenutzte daher meine freundschaftlichen Beziehungen zum Minister, um ihn ver-traulich zu bitten, in Russland zur Mässigung zu raten, falls Oesterreich, wie esschien, von den Serben Genugtuung verlangte.