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Die Denkschrift des Fürsten Lichnowsky : [der vollständige Wortlaut] ; meine Londoner Mission 1912 - 14, von Fürst Lichnowsky, ehemaliger deutscher Botschafter in London ; [zur Vorgeschichte des Krieges] / hrsg. von einer Gruppe von Friedensfreunden
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marschieren zu lassen, also die Möglichkeit einer friedlichen Beilegung geflissent-lich vernichtet. Es ist nicht zu verwundern, wenn angesichts dieser unbestreitbarenTatsachen ausserhalb Deutschlands die gesamte Kulturwelt uns die alleinige Schuldam Weltkriege beimisst.

Weiterer Standpunkt der Entente.

Ist es nicht begreiflich, dass unsere Feinde erklären, nicht eher ruhen zu wollen,bis ein System vernichtet ist, das eine dauernde Bedrohung unserer Nachbarnbildet? Müssen sie nicht sonst befürchten, in einigen Jahren wieder zu denWaffen greifen zu müssen und wieder ihre Provinzen überrannt und ihre Städteund Dörfer vernichtet zu sehen ? Haben diejenigen nicht recht behalten, die weis-sagten, dass der Geist Treitschkes und Bernhardis das deutsche Volk beherrschte,der den Krieg als Selbstzweck verherrlicht und nicht das Uebel verabscheut, dassbei uns noch der feudale Ritter und Junker, die Kriegerkaste regiere und Idealeund Werte gestalte, nicht aber der bürgerliche Gentleman, dass die Liebe zurMensur, die die akademische Jugend beseelt, auch denen erhalten bleibt, die dieGeschicke des Volkes leiten ? Hatten nicht die Ereignisse in Zabern und die parla-mentarischen Verhandlungen des Falles dem Ausland gezeigt, wie staatsbürgerlicheRechte und Freiheiten bei uns bewertet werden, wenn militärische Machtfragenentgegenstehen ?

ln die Worte Euphorions kleidete der geistvolle, seither verstorbene HistorikerGramb, ein Bewunderer Deutschlands, die deutsche Auffassung:

Träumt Ihr den Krieg?

Träume, wer träumen .mag,

Krieg ist das Losungswort 1Sieg, und so klingt es fort.

Der Militarismus, eigentlich eine Schule des Volkes und ein Instrument derPolitik, macht die Politik zum Instrument der Militärmacht, wenn der patriarcha-lische Absolutismus des Soldatenkönigtums eine Haltung ermöglicht, die einemilitärisch-junkerlichen Einflüssen entrückte Demokratie nicht zulassen würde.

So denken unsere Feinde, und so müssen sie denken, wenn sie sehen, dasstrotz kapitalistischer Industriealisierung und trotz sozialistischer Organisierung dieLebenden, wie Friedrich Nietzsche sagt, noch von den Toten regiert werden. Dasvornehmste feindliche Kriegsziel, die Demokratisierung Deutschlands , wird sichverwirklichen!

Der Dreibund und der Salonwagen.

Bismarck, gleich Napoleon , liebte den Kampf als Selbstzweck. Als Staatsmannvermied er neue Kriege, deren Sinnlosigkeit er erkannte. Er begnügte sich mitunblutigen Schlachten. Nachdem er in rascher Folge Christian, Franz Joseph undNapoleon besiegt, kamen Arnim, Pius und Augusta an die Reihe. Das genügte ihmnicht. Gortschakow hatte ihn wiederholt geärgert, der sich für grösser hielt. Erwurde bis hart an den Krieg bekämpft, sogar durch Entziehung des Salonwagens.So entstand der traurige Dreibund. Zum Schluss folgte der Kampf gegen Wilhelm,in dem der Gewaltige unterlag, wie Napoleon gegen Alexander.

Politische Ehen auf Leben und Tod geraten nur im staatsrechtlichen, nicht imvölkerrechtlichen Verbände. Sie sind um so bedenklicher mit einem brüchigenGenossen. So war das Bündnis von Bismarck auch niemals gemeint.