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A. Die weitere Vorgeschichte des Krieges.
Aus der weitern Vorgeschichte des Krieges interessieren den Fürsten folgendeFragen:
Die Marokkopolitik,
Die Balkanpolitik.
Die englische Politik in ihren Beziehungen zu Deutschland (die Frage derportugiesischen und belgischen Kolonien, der Bagdadbahn , das deutsch-englische Flottenproblem).
Der österreichisch-russische Gegensatz und Deutschlands Stellung dazu.
Die nicht minder wichtigen Probleme, wie die Tendenzen der russischen Politik,der französischen Politik u. a., berührt der Fürst nicht, weil er sie nicht kennt.
In der Besprechung der oben angeführten Fragen fällt er dagegen folgendesUrteil über die deutsche Politik: Sie ist inkoherent, sie begeht unaufhörlich Fehler,setzt auf das falsche Pferd. Kriegerische Absichten Deutschlands entdeckt derFürst in dieser Epoche aus der Vorgeschichte des Krieges nicht.
Die Hauptfehler der deutschen Politik bestehen darin, dass sie an dem Dreibundfesthält, dessen Gründung der schwerste Fehler Bismarcks war, dass sie, anstattmit Russland, gemeinsame Sache mit Oesterreich macht; dass sie Oesterreichs Balkanpolitik unterstützt, was Russland erregen muss, anstatt die Balkanstaatenzu unterstützen, die in diesem Falle — einer der Widersprüche in der Argumen-tation Lichnowskys — dem russischen Einfluss entzogen würden Was die Einzel-heiten der Balkanpolitik betrifft, so wirft der Fürst der deutschen Regierung dieUnterstützung Bulgariens vor. Er möchte eine Unterstützung Rumäniens sehen.Bekantlich hat hier, wie man einschieben darf, die in andern Fällen so hervorragendkurzsichtige deutsche Politik auf das richtige Pferd gesetzt und mit ihrer FörderungBulgariens im Laufe des Krieges gute Erfahrungen gemacht, ln der albanischen Frage hätte nach Lichnowskys Ansicht Deutschland Serbien begünstigen sollen. DieBerücksichtigung der griechischen Wünsche hätte den Vorteil gehabt, einen ernstenKonflikt zwischen Frankreich und Italien hervorzurufen, der sich sogar zu einemitalienisch-französischen Kriege auswachsen konnte! In der türkischen Fragebeging Deutschland den Fehler, sich nicht mit Russland und England auf Kostender Türkei Einflussphären zu schaffen. Fürst Lichnowsky erklärt, dass er in alldiesen grundlegenden Fragen eine der Berliner Politik entgegengesetzte Politikwünschte, und glaubt, dass seine Politik den Weltkrieg verhindert hätte. Man mussdem Fürsten in vielen Dingen unbedingt Recht geben, so wenn er sagt, dass dieZuteilung albanischen Gebietes an Serbien kriegsverhindernd gewirkt hätte, wobeier sich allerdings die These zu eigen macht, dass Serbiens Vergrösserungswünsche amKriege schuldig sind. Man muss sich über die klare Aufdeckung der deutschen Fehlgriffefreuen, man braucht aber nicht seiner Meinung zu sein, wenn er den Dreibunddesshalb bekämpft, weil Oesterreich als Vasall behandelt werden müsste. WelcheFolgen eine solche Gewaltspolitik auch für den Weltfrieden gehabt hätte, liegt aufder Hand. Aber Lichnowsky ist nun einmal grundsätzlich ein Gegner der Bündnis-politik mit Oesterreich, er ist ein Anhänger des Zusammengehens mit Russland .Er will überhaupt nichts von methodisch festgelegter Politik wissen, sondern vonFall zu Fall vorgehende Kabinettspolitik treiben, die sichtbare, wenn auch kleineErfolge einheimst. Rücksichten und Bedenken kennt er dabei nicht. Er ist einDiplomat aus der alten Schule. Es widerstrebt ihm auch nicht, Kriege, die Deutsch -