kannten Quellen zitgeflossenen Kenntnissen, ein ganz anders geartetes Tatsachen-material gegenüberstellt.
Der Fürst behandelt folgende Fragen:
Die österreichisch-serbische Krisis,
Das Ultimatum Oesterreichs an Serbien und die serbische Antwort,Die Stimmung in Russland ,
Greys Vermittlungsversuche,
Englands Haltung und Kriegserklärung.
Auch in diesem Teil vernachlässigt der Verfasser eine Reihe überaus wichtigerProbleme, so die gesamte Entwicklung der europäischen Rüstungen während derKrisis, die Haltung Frankreichs usw. Das ist zum Teil ebenfalls daraus erklär-lich, dass er schlecht unterrichtet wurde, und vor allem daraus, dass er währendder ganzen Krisis nur zweimal vorübergehend in Deutschland , sonst ununterbrochenin England weilte. Seine Urteile und Beobachtungen basieren sich vor allem aufLondoner Erlebnisse; über die Vorgänge in den andern Staaten gelangen nur Ge-rüchte zu ihm.
Das persönliche Urteil, das der Fürst über die Ereignisse in dieser kurzenZeit abgibt, ist zwiespältig. Es spiegelt sich in folgenden Bemerkungen wieder:Bethmann-Hollweg habe bereits vor dem eigentlichen Ausbruch der Krisis, vor demösterreichischen Ultimatum, Misstrauen gegen die russische Politik und die russischenRüstungen gehegt. Lichnowsky widersprach dieser Auffassung, hielt Russland fürfriedfertig. Einige Sätze weiter wirft Lichnowsky aber Herrn von Jagow vor, er glaubeauf Grund unzutreffender Berichte des deutschen Botschafters in Petersburg, Pour-tales, dass Russland sich ruhig verhalten werde. Einer der häufigen Widersprüche imBericht und im Urteil. Weiter missbilligt er das Ultimatum an Serbien und die Ab-lehnung der serbischen Antwort, sowie die von Deutschland verfolgte Politik der„Lokalisierung“ des Konfliktes. Diese und nur diese Vorwürfe erwachsen aus derSchilderung der Ereignisse, so wie Lichnowsky selbst sie sah. Unvermittelt dagegen,ohne dass er diesen Satz in irgend einen Zusammenhang mit den Ereignissenstellt, ohne dass er ihn mit Material belegt, schreibt der Fürst folgende Anklagenieder: „Es hätte natürlich nur eines Winkes von Berlin bedurft, um den GrafenBerchtold zu bestimmen, sich mit einem diplomatischen Erfolg zu begnügen undsich bei der serbischen Antwort zu beruhigen. Dieser Wink ist aber nicht ergangen.Im Gegenteil, es wurde zum Kriege gedrängt. Nach unserer Ablehnung bat SirEdward uns, mit einem Vorschläge hervorzutreten. Wir bestanden auf dem Kriege.“Dieser Passus, ausser dem oben bereits zitierten Satz, in dem bei Erwähnung desenglischen Extrazuges und der englischen Ehrenwache die deutsche Tücke gegendie Legende von der britischen Tücke ausgespielt wird, ist die einzige Stelle derDenkschrift, in der in aller Form Lichnowsky selbst die Schuldfrage zu ungunstenDeutschlands beantwortet.
Warum gab Lichnowsky an dieser Stelle keine Beweise? Seine Anschuldigungin dieser Form ist bedauerlich und schädlich. Es war um so nötiger, bei Behandlungdieser Frage dokumentarisches Material anzuführen, als von deutscher Seite geradehier mit einem wahren Aufwand von Material operiert wird. Die oft zitierte DepescheBethmanns an Tschirschky, dass Deutschland sich unter keinen Umständen durchOesterreich in einen Krieg hinreissen lassen wolle, sowie die immer wieder an-