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getröstet, dieselbe allgemach in die Sitte der Regierenden eindringenzu sehen. Aber der schneidende Ton, den der König bei Gelegenheitseiner Krönung angenommen hatte, konnte keinerlei Illusionen beste-hen lassen. Er bedeutete kurz und gut die Verkündigung des persönlichenund unumschränkten Regiments. Eine gesetzliche Maßregel als daspersönliche Werk des Herrschers einführen, hieß darum soviel als imVoraus das ganze Mißtrauen und den äußersten Widerstand desLandes dagegen heraufbeschwören, während der König gemäß der ihmeigenthümlichen Anschauung, jede Opposition zum Schweigen bringenzu können glaubte, wenn er eine Neuerung als das Werk seiner Ini-tiative und seiner eignen Beobachtung anpreisen ließ.
In diesen Worten liegt die Geschichte jener vielberufenen mili-tärischen Reorganisation, welche den Mittelpunkt des mit so großerLeidenschaft zwischen dem preußischen Volke und seiner Regierung ge-führten Confliktes bildete; ein Conflikt, der bis zu einem solchen Gradevon Erbitterung und Hartnäckigkeit gedieh, daß der Krieg von 1866in der Meinung der Welt lange Zeit nur wie ein Ableitungsmittelerschien, dazu bestimmt, die Aufmerksamkeit von dieser Principienfrageabzuwenden, um mit Hilfe der äußern Verwicklungen dem Lande dieZustimmung zu den Veränderungen im Innern abzunöthigen. Aller-dings ein schweres Mißverständniß, das aber ausschließlich der Hal-tung zuzuschreiben ist, welche der König und seine Minister seit derKrönung bis zu den Ereignissen des vorletzten Jahres angenommenhatten. Was die Frage anlangt, ob das Reorganisationsprojekt,dessen geistige Urheberschaft König Wilhelm in Anspruch nahm, demZwecke, das Vertheidigungssystem des Landes zu verbessern, entsprach,so ließ sich die öffentliche Meinung gar nicht herbei, ernstlich daraufeinzugehen. Sie sah in der Vermehrung der Linienregimenter undder Verlängerung der Dienstzeit nur eine Maßregel, welcher die ge-heime Absicht zu Grunde lag, das aus der volksthümlichen Bewegung