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der öffentlichen Moral umzuspringen, hat er zu großes Talent ver-rathen, um uns glauben zumachen, daß seine Denkart nicht den Aus-schreitungen, welche ihm durch die Lage der Dinge aufgedrungen seinkonnten, auf halbem Wege entgegengekommen sei.
Seitdem man sich gewissermaßen mit der Revision der Aktenseines Prozesses beschäftigt hat, ist von seiner und seiner LobrednerSeite behauptet worden, er habe sich zur Zeit seines Eintritts in dasMinisterium am 24. September 1862 ernstlich eingebildet, es werdeihm gelingen, die liberale Bevölkerung des Landes auf seine Seitezu bringen und in Uebereinstimmung mit ihr vorgehen zu können.Diejenigen, welche dieser Auslegung das Wort reden, fügen sogarhinzu, daß, als er zum ersten Male das Portefeuille zurückwies, ereinzig und allein unter dem Eindruck handelte, der aus demMilitärgesetz entstandene Conflikt würde nicht von langer Dauer sein,und im Interesse seiner großen Pläne thäte er besser, erst nachder Hebung dieser Schwierigkeit in das Ministerium zu treten, mitder Aussicht sich den guten Willen der Kammer zu sichern. In keinerWeise konnte ihn die Haltung der Fortschrittspartei zu dieser Hoff-nung berechtigen. Zu glauben, daß sie auf die Idee einer Propa-ganda mit bewaffneter Hand eingehen würden, hieß sich arg täuschenüber ihre wahre Sinnesart. Man konnte nicht einmal sagen, daßsie mit Entsetzen jene Idee zurückgewiesen: nein, sie waren noch langenicht so weit, weil sie Niemanden zutrauten, einen solchen Gedankenernstlich gefaßt zu haben, so ungeheuerlich und unmöglich erschien erihnen. Sie hielten noch immer bei der von der Regentschaftszeit her-datirenden Ueberlieferung der moralischen Eroberungen; sie hatten die festeUeberzeugung, daß Preußen, sobald es die liberale Parole aus seineFahne setzen wollte, unwiderstehlich sein, und daß Oesterreich sowohl wiedie kleinen Fürsten in diesem Falle vor ihm die Waffen strecken würden,ohne nur einen Schuß zu thun. Sie hielten an der Hoffnung fest, das